Theas Endometriose Geschichte

Theas Endometriose Geschichte

„Ich habe irgendwann selber an meiner Schmerzwahrnehmung gezweifelt und jahrelang ohne eine Pille mit sehr viel Schmerztabletten meine Beschwerden unter den Tisch gekehrt…“

Stell dich doch vorab einmal kurz vor!

Hallo, mein Name ist Thea und ich bin 21 Jahre alt. Im Moment bereite ich mich auf meinen Studienbeginn vor, für welchen ich ziemlich bald ans andere Ende der Welt ziehe. In meiner Freizeit beschäftige ich mich gerne kreativ und liebe ich es, zu reisen. 🙂

Nun zu deiner Endometriose Geschichte: Welche Symptome hattest du?

Anders als bei vielen anderen Betroffenen Frauen begannen meine Beschwerden nicht mit der ersten Periode. 

Zu Beginn hatte ich statt Regelschmerzen immer wieder starke azyklische Unterbauchschmerzen (teilweise so stark, dass ich einmal mit Verdacht auf einen akuten Blinddarm ins Krankenhaus musste), die sich aber zunächst nicht abklären ließen. 

Erst ungefähr ein Jahr nach Einsetzen meiner Periode, als ich ungefähr 13 Jahre alt war, begannen dann langsam weitere Beschwerden. Massive Regel- und Eisprungschmerzen, die mich teilweise mehrere Tage bewegungsunfähig gemacht und mich nachts mit Fieber und Nachtschweiß wachgehalten haben, Grippesymptome vor jeder Regel, ständige Blasenentzündungen, sehr starke Blutungen, PMS, Endobelly und vieles mehr.

In den ersten Nächten vor und während meiner Periode bin ich regelmäßig davon aufgewacht, dass ich vor Schmerzen unterbewusst im Schlaf angefangen hatte, zu weinen, und dann stundenlang nicht mehr einschlafen, aber mich auch nicht richtig bewegen konnte, bis die Schmerzmittel gewirkt haben. Durch meine Blasenbeschwerden musste ich ständig aufs Klo. Ich konnte aber teilweise eine Viertelstunde oder länger nicht mehr alleine aufstehen, weil mir vor Schmerzen die Kraft gefehlt hat, wieder auf die Beine zu kommen. Diese Symptome wurden über die Jahre immer schlimmer und ich habe immer wieder nach Hilfe bei verschiedenen Frauenärzten gesucht, wurde aber überall abgewimmelt.

Hattest du damals schon einen Endometriose Verdacht?

Obwohl ich schon mit 15 selbstständig den Verdacht auf Endometriose bei mehreren Ärzten geäußert habe (da ich betroffene Verwandte habe, hatte ich Endometriose relativ früh auf dem Schirm), wurde es mir immer wieder ausgeredet, teilweise sogar, ohne untersucht zu werden. Neben Standardsätzen wie „Sie müssen nur schwanger werden, dann tuts nicht mehr weh“ über „Sie sind viel zu jung um so krank zu sein“ bis hin zu „Sie können sich ja später die Gebärmutter entfernen lassen“, musste ich mir glaube ich alles Erdenkliche von den Ärzten anhören – ohne dabei ernst genommen zu werden.

Mir wurden mehrere Male einfach so willkürlich verschiedene Pillen aufgeschrieben, die ich aber nicht einnahm, weil ich einfach zu viel Angst vor Nebenwirkungen hatte und von den Ärzten nicht aufgeklärt wurde. Daher habe ich irgendwann selber an meiner Schmerzwahrnehmung gezweifelt und jahrelang ohne eine Pille mit sehr viel Schmerztabletten meine Beschwerden unter den Tisch gekehrt. Die ganzen erfolglosen Arztbesuche haben mich so doll eingeschüchtert, dass ich Angst davor hatte, überhaupt noch mal zum Arzt zu gehen.

Erst als ich in meiner Abizeit teilweise nicht mehr zur Schule konnte, ohne Schmerzmittel zu frühstücken und ständig über den Tag hinweg vor Erschöpfung einfach so einzuschlafen, war mir klar, dass es nicht mehr so weitergehen kann. 

Wann und wie wurde deine Endometriose dann diagnostiziert? Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? 

Mit 19 bin ich dann nach langem Warten und Betteln mit einer Überweisung in ein Endometriosezentrum gekommen. 

Der Frauenarzt, der mir die Überweisung  ausstellte, sagte mir damals: „Ihre Regelschmerzen sind ein Ausschlusssymptom für Endometriose. Frauen mit Endometriose haben keine Schmerzen und Sie kriegen diese Überweisung nur weil ich es Ihnen schon versprochen habe, aber ich weiß schon, dass Sie es nicht haben.“ Das macht mich heute noch sprachlos, wenn ich daran denke. 

Mit viel Glück bekam ich einen Termin im Endometriosezentrum der Charité. Dort wurden meine Beschwerden das erste Mal ernst genommen und der dringende Verdacht auf Endometriose geäußert. 

Daraufhin begann ich mit meiner ersten „Pille“, die ich leider absolut nicht vertragen habe. Letztendlich musste ich mich innerhalb weniger Monate durch drei Präparate durchtesten, bis ich etwas gefunden habe, was ich vertrage. Dabei wurde ich super toll von meiner jetzigen Frauenärztin unterstützt, die mir immer zur Seite stand und meine Beschwerden immer ernst genommen hat. Auch wenn ich manchmal mehrmals im Monat in die Praxis kommen musste, weil es mir so schlecht ging.

Leider sind meine Beschwerden auch unter den Hormonen nicht besser geworden, ich habe monatelang durchgeblutet und schmerzhafte Zysten bekommen. Dann im Sommer letzten Jahres habe ich durch die jahrelangen Schmerzen im Becken eine Nervenbeteiligung bekommen, sodass ich mein Bein über Wochen nicht mehr stillhalten und nicht mehr vernünftig sitzen und stehen konnte. Daraufhin habe ich mich durch verschiedene Therapieansätze durchprobiert, bis ich mich nach langem Hin und Her doch für eine Operation im Endometriosezentrum der Charité entschieden habe.

Wie ging es dann weiter?

Ursprünglich wurde mir dazu geraten, die Operation aufgrund meines Alters möglichst lange herauszuzögern. Aber im Sommer 2023 sagte meine Ärztin, dass kein Weg mehr darum herum führe – aufgrund der starken Zystenschmerzen und freier Flüssigkeit im Bauchraum. Ab dann ging alles auch relativ schnell. Vor meiner Operation sollte ich acht Wochen die Hormone absetzen, um auch kleinste Herde gut sichtbar zu machen. In der Zeit kamen meine Schmerzen noch mal auf ein ganz neues Level. Hinzu kamen ständige unaushaltbare Kopfschmerzen, die sich über Tage hinweg vom Aufwachen bis zum Einschlafen erstreckt und an Migräne erinnert haben. An manchen Tagen habe ich daher nur mit einer Wärmflasche im Rücken, einer auf dem Bauch mit Ohrstöpseln im verdunkelten Zimmer gelegen, die Decke angestarrt und gewartet, bis ich einschlafen konnte. Ich konnte daher kaum erwarten, die Operation hinter mich zu bringen.

Die Operation an sich verlief gut und ich lag insgesamt vier Tage im Krankenhaus. Da ich ungefähr zwei Zugstunden von meinem Wohnort operiert wurde, hatte meine Mutter mir einen Rollstuhl für die Rückfahrt organisiert. Ohne den hätte ich es letztendlich auch nicht nach Hause geschafft, da mir das Gas von der Operation so starke Schulterschmerzen gemacht hat und ich noch so erschöpft war, dass ich weiterhin nur kurze Strecken laufen konnte. Zuhause angekommen konnte ich es kaum erwarten, zu duschen, war aber leider etwas zu euphorisch. Das Pflaster auf der Narbe am Bauchnabel wurde so platziert, dass der Klebestreifen genau auf der Naht saß. Das hat dazu geführt, dass ich beim ersten Entfernen kollabiert bin. Rückblickend war ich leider nach der Operation viel zu schnell wieder auf den Beinen, da ich das erste Mal ein Energielevel erreicht habe, das ich vorher noch gar nicht von mir kannte.

Wie geht es dir jetzt? 

Meine Operation ist nun zweieinhalb Monate her und es geht seit dem endlich wieder spürbar bergauf. Für mich persönlich war diese Operation die beste Entscheidung zu dem Zeitpunkt, da ich bereits viele andere Behandlungsmethoden ausgeschöpft hatte. Zwar war der Heilungsprozess ziemlich anstrengend (neben einer Infektion der OP-Narben hatte ich einen starken Infekt nach dem anderen), aber insgesamt geht es mir jetzt so viel besser, dass ich wirklich froh bin, mich dafür entschieden zu haben. 

Die feste Diagnose habe ich dementsprechend noch nicht so lange. Neben der erwarteten Endometriose Diagnose kam auch noch die Diagnose Adenomyose hinzu. Obwohl ich schon seit Jahren wusste, dass ich Endometriose habe, hat es für mich letztendlich neun Jahre bis zur Diagnose gedauert, was ja leider so ziemlich dem Durchschnitt entspricht. Passend zu meinen Beschwerden wurden bei mir Endometriose Herde im Douglasraum, beidseitig im kleinen Becken, im Bauchfell und Verwachsungen des Dickdarms mit der Bauchwand gefunden. Organschäden habe ich zum Glück keine gehabt.

Was würdest du jemandem mitgeben, der kurz vor seiner Operation steht oder frisch diagnostiziert wurde?

Nicht aufgeben! Der ganze Prozess von den Beschwerden bis zur Diagnose und darüber hinaus kann total nervenzehrend sein. Vor allem, wenn Frauen sich weiterhin erkämpfen müssen, von Ärzten ernst genommen zu werden. Deswegen finde ich es super wichtig, dass man sich vorher gründlich selber über die Krankheit informiert und auf sein eigenes Körpergefühl hört, denn niemand kennt deinen Körper besser als du selbst. Seine Symptome zu dokumentieren und verschiedene Behandlungsmethoden auszuprobieren, finde ich auch sehr wichtig, um mögliche Schmerzmuster und Abhilfen zu erkennen.

Mir persönlich haben Osteopathie, Schmerztherapie durch ein Biofeedback-Gerät und das gründliche Einnehmen von Nahrungsergänzungsmitteln geholfen. Außerdem kann ich nur empfehlen, sich unbedingt in einem zertifizierten Endometriosezentrum vorzustellen. Was die Operation angeht (also ob in einem zertifizierten Zentrum oder nicht) gehen die Meinungen ja bekanntlich stark auseinander. Ich persönlich war aber froh, in den Händen von einem spezialisierten Ärzteteam gewesen zu sein. Zudem kann ich nur den Austausch mit anderen Betroffenen empfehlen. In vielen größeren Städten gibt es mittlerweile Stammtischtreffen und dort wird jeder herzlich aufgenommen.

Und für alle, die kurz vor ihrer ersten Operation stehen, kann ich nur empfehlen, sich so viel Zeit zum heilen zu erlauben, wie der Körper braucht. Manchmal ist es auch schwer, das einzuschätzen, aber immer lieber etwas langsamer machen als zu schnell. Ich habe das Gefühl, dass Endometriose Sanierungen oft als kleine Eingriffe abgetan werden. Den Frauen wird vermittelt, dass sie nach einer Woche wieder problemlos zur Arbeit könnten. Aber je nach Ausprägung ist jede Operation individuell, unterschiedlich lang und aufwendig, genauso der Heilungsprozess. Deswegen kann ich auch hier nur noch mal betonen, wie wichtig es ist, auf sein Körpergefühl zu hören und, wenn möglich, die Unterstützung von anderen anzunehmen.

Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um? Und wie geht dein Umfeld damit um?

Meine Familie hat mich die ganzen letzten Jahre immer unterstützt, wo es ging. Vor allem in den letzten Monaten um meine Operation herum wurde ich super lieb umpflegt und unterstützt. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar. 

Für mich selber war die Diagnose ein Befreiungsschlag. Mir war endlich klar: „Das ist nicht alles nur in meinem Kopf gewesen.“ Dadurch, dass ich jetzt endlich Medikamente gefunden habe, die ich vertrage, keine Periode mehr (durch Pille im Langzeitzyklus) und Klarheit über meine Krankheit habe, geht es mir sowohl körperlich als auch psychisch um einiges besser und ich kann endlich weitgehend beschwerdefrei in ein Studium starten. 

Auch wenn ich weiß, dass der medikamentöse Weg für mich keine Dauerlösung ist, genieße ich grade einfach die Zeit, wo es mir gut damit geht.

Nachdem ich jahrelang versucht habe, meine Beschwerden für mich zu behalten, merke ich immer wieder, wie wichtig es (immer noch) ist, über Endometriose zu sprechen. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass vor allem durch Social Media sehr wichtige Aufklärungsarbeit geleistet wird, gibt es immer noch Menschen (und darunter auch leider Ärzte) die sich absolut nicht mit dem Thema auskennen. Daher finde ich es super wichtig, darüber zu sprechen. Denn alleine wenn sich schon eine einzige Frau mit ihren Symptomen in diesen Beiträgen wiederfindet und sich die nötige Hilfe suchen kann, ist damit schon super viel erreicht. An der Stelle möchte ich auch ein großes Dankeschön an Lea aussprechen, die mir selber vor meiner Operation durch ihre super hilfreichen Youtube-Videos und ihren Blog viel geholfen hat! 

Möchtest du noch etwas loswerden?

Es ist echt erschreckend, wie lange Frauen aus der Forschung herausgehalten wurden. Wie „Frauenkrankheiten“ systematisch unter den Tisch gekehrt werden. Das wurde mir zuletzt leider auch noch von meiner Krankenkasse bestätigt. Mein Antrag auf AHB wurde mehrere Male abgelehnt , weil sich der betreffende Sacharbeiter (wie die Krankenkasse später selber einräumte) nicht mit der Krankheit auskannte. Da sich der ganze Prozess dadurch sehr in die Länge zog, habe ich vor meinem Studienbeginn leider keine Chance mehr auf eine AHB oder Reha.

Ich versuche, dennoch positiv zu bleiben. Denn auch wenn in den letzten Jahren super viel schiefgelaufen ist, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, wieder zu Kräften zu kommen und mein Leben leben zu können.

Ich möchte auch an dieser Stelle erwähnen, dass mich mein Weg mit der Endometriose viele wichtige Dinge gelehrt hat. Unter anderem habe ich über die Jahre hinweg ein sehr akkurates Körpergefühl entwickelt. Ich kann ziemlich genau meine Beschwerden lokalisieren und weiß, was mir in welcher Schmerzlage hilft. Momentan versuche ich noch, den richtigen Umgang mit der Diagnose für mich zu finden. 

Bis heute schleicht sich manchmal noch der Gedanke ein: „Was, wenn ich mir das alles doch nur einbilde?“ Das ist natürlich völliger Schwachsinn, aber leider durch das jahrelange Medical Gaslighting doch noch irgendwo in mir verankert.

Ich versuche, die richtige Balance zu finden zwischen sich ausreichend weiterzubilden und auszutauschen. Aber ich versuche auch, der Endometriose nicht mehr so viel Platz in meinem Alltag zu lassen, auch wenn ich weiß, dass sie mich mein Leben lang begleiten wird, da ich das Gefühl habe, dass mir bereits viel Zeit dadurch genommen wurde.

In dem Sinne eine dicke Umarmung an alle anderen Betroffenen! Wir sind stark! <3

Danke Thea!

Vielen Dank für das so offene Teilen deiner Geschichte hier auf meinem Blog. Damit trägst einen weiteren Teil zur Aufklärung über Endometriose bei. Danke, Thea!

Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!

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