Sinas Endometriose Geschichte

Sinas Endometriose Geschichte

„Nicht nur einmal hat mein Mann den Notarzt rufen müssen, weil ich bewusstlos vor der Toilette lag. Und immer wurde ich mit einem ‚Magen-Darm-Infekt‘ oder einer ‚chronischen Darmentzündung‘ nach Hause geschickt…“

Stell dich vorab doch einmal kurz vor!

Hi, ich bin Sina, 35 Jahre jung und habe einen Sohn im Grundschulalter. Ich bin verheiratet und wir wohnen in der Mitte Schleswig-Holsteins. Das sind erstmal die „Hartfakten“, aber wer bin ich noch? Ich bin Sina, aufgeschlossen, mutig, hilfsbereit, ehrgeizig und manchmal auch viel zu perfektionistisch. Aber ich bin auch Sina, manchmal sehr antriebslos, ist sich nie genug, hat Angst zu versagen und findet selbst die kleinsten Dinge manchmal viel zu anstrengend.

Nun zu deiner Endometriose Geschichte: Welche Symptome hattest du?

Meine Endometriose Geschichte begann bereits mit meinen ersten Perioden mit 13 Jahren (das war 2001). Ich hatte unglaubliche Schmerzen und konnte zum Teil immer ein bis zwei Nächte nicht schlafen. Dazu kamen regelmäßige Ohnmachtsanfälle. Meine Mama hat mich mit Schmerzmitteln versorgt und uns war schnell klar, dass das so nicht weitergehen konnte. Jeden Monat ein bis drei Fehltage in der Schule waren einfach nicht drin, also sind wir zum einzigen Gynäkologen, den es auf dem Land gab. Mit den Worten „Periode tut halt weh“ und „Frauen müssen da durch“ hat er mich mit einem Rezept für die Pille nach Hause geschickt. Ohne Aufklärung, wie ein Bonbon…

Über die Jahre hinweg kamen immer häufiger Bauchkrampf-Kreislauf-Durchfall-Anfälle dazu. Nicht nur einmal hat mein Mann den Notarzt rufen müssen, weil ich wieder bewusstlos vor der Toilette lag. Und immer wieder wurde ich mit einem „Magen-Darm-Infekt“ oder einer „chronischen Darmentzündung“ wieder nach Hause geschickt.

Wann und wie wurde deine Endometriose dann diagnostiziert?

Mit der Pillen-Variante bin ich erstmal gut gefahren … dachte ich. Ich habe zugenommen, aber das habe ich auf die Pubertät geschoben. Und als mein Mann und ich dann in die Kinderplanung gegangen sind, ganze 14 Jahre später, habe ich die Pille dann abgesetzt. Und erst dann merkte ich, was die eigentlich mit mir gemacht hat. Ich konnte auf einmal wieder „richtig fühlen“. Es gab Dinge, die mein Herz haben höher schlagen lassen, und Dinge, die mich zum Weinen gebracht haben. Ich war auf einmal raus aus dem Einheitsgrau und den Schleiern. Eine unglaubliche Erfahrung.

Ich gehöre zu den Glücklichen unter uns, die schnell schwanger geworden sind. Und meine Schwangerschaft verlief bis auf starke Schmerzen am Anfang, gepaart mit der heftigsten Übelkeit über ungefähr 25 Wochen und krassen Symphyse Schmerzen zum Ende hin recht reibungslos. Eine Vertretungsärztin hatte um die 30. Woche festgestellt, dass ich eine Anomalie in der Gebärmutter habe. Ein Septum und auch einen Gewebestrang, der einmal quer durchlief. Aber auch hier hat sich leider keiner gewundert oder gefragt, warum das so ist. Da mein Sohn aber von Anfang an mit den Schultern auf der einen Seite und den Knien auf der anderen Seite „festsaß“, war schnell klar, dass ich nur per Kaiserschnitt entbinden konnte.

Im Nachhinein sagte man mir, dass man hier schon zumindest die Adenomyose hätte sehen können, wenn man eins und eins zusammengezählt hätte.

Und wie ging es nach der Geburt dann weiter?

Nach der Geburt habe ich mich dazu entschlossen, auf die Pille zu verzichten. Ich wollte die Hormone nicht mehr. Und nach dem Abstillen bekam ich dann also meine Periode wieder und halleluja, da wusste ich wieder, warum ich die Pille genommen hatte. Schmerzen aus der Hölle und wieder Bewusstlosigkeitsattacken vor dem Klo. Aber das kannte ich ja schon.

Ich habe dann bei einem Heimatbesuch eine Freundin beim Aldi getroffen. Ich sprach sie an und freute mich, sie zu sehen. Sie hielt sich kurz mit den Worten: „Heute geht es nicht, ich muss nach Hause, ich rufe dich morgen an.“ Sie sah aus wie ein Häufchen Elend. Ich habe mich gewundert, aber der versprochene Anruf am nächsten Tag kam. Wir trafen uns dann auf einen Kaffee bei ihr und sie sagte mir, warum es ihr gestern so schlecht ging: Sie hat Endometriose. 

Sie erzählte mir von ihrem Alltag und den Symptomen und ich bekam den Mund nicht mehr zu. Das einzige, was ich die ganze Zeit dachte, war: „Die erzählt aus meinem Leben, von meinen Schmerzen.“ Sie machte mir Mut, das bei meinem Gyn anzusprechen und empfahl mir das Buch von Anna Adamyan (Affiliate-Link). Ich machte mich schlau, las das Buch und ging voller Tatendrang zur nächsten Vorsorgeuntersuchung. Um mir dort dann anhören zu müssen, dass das gar nicht sein kann, weil ich viel zu jung bin und außerdem die Symptome ja nicht „klassisch“ wären.

Trotzdem habe ich nicht aufgegeben und habe mir einen Termin im Endometriose Zentrum gemacht. Eine Überweisung hat mein Gyn mir nicht ausgestellt, diese habe ich dann von meiner Hausärztin bekommen und mit viel „betteln“ wurde diese dann auch im Endometriose Zentrum anerkannt. Auf diesen besagten Termin musste ich sieben Monate warten und ich weiß noch, wie sehr ich geweint habe am Telefon mit den Worten: „Dann muss ich ja noch siebenmal durch die Hölle gehen, bis ich kommen kann.“ Es war nervenaufreibend und hat auch sehr an mir gezehrt. 

Was ist dann bei dem Termin passiert?

Nachdem ich dann endlich im Endometriose Zentrum vorstellig werden konnte, habe ich die ersten zehn Minuten nur geweint. Ich war so froh, dass mir endlich jemand richtig zuhörte und mich auch ernst nahm. Die Worte „Sie haben einen so hohen Leidensdruck“ und „Ich glaube ihnen“ hallen noch jetzt in meinem Ohr. Ich wurde ausgiebig untersucht und als die Ärztin den ersten Blick mit dem vaginalen Ultraschall wagte, sagte sie sofort: „Aua, ihre Gebärmutter tut ja schon beim Hingucken weh!“

Wir vereinbarten einen OP-Termin, auf den ich nochmal drei Monate warten durfte, und dann im Juni 2021 war es klar: Ich habe Endometriose. Die Schmerzen sind real und vor allem NICHT NORMAL! Ich habe somit von 2001 bis 2021 auf meine Diagnose gewartet, ganze 20 Jahre.

Und kleiner Funfact: Ich bin mit dem OP-Bericht zu meinem damaligen Gyn und habe gesagt: „Siehste, ist doch Endometriose, und sie wollten mich nicht überweisen.“ Seine Antwort: „Auch Krankenhäuser können sich täuschen, ich glaube das immer noch nicht.“ Was soll man dazu sagen, außer ciao?!

Wie oft wurdest du schon operiert und wie war das?

Diese Operation war bisher meine erste und einzige OP. Ich hatte vorher schon in den Gesprächen gesagt, dass ich im Anschluss in eine AHB möchte. Ich wurde stationär aufgenommen und war fünf Tage im Krankenhaus. Da ich immer extreme Kreislaufprobleme nach Narkosen habe, hat es allein zwei Tage gedauert, bis ich eigenständig aufstehen und auf die Toilette gehen konnte. Die Operation und das Endometriose Zentrum in Kiel haben mir sehr gut gefallen. Der Sozialdienst hat mit mir die AHB beantragt und 14 Tage nach der Operation war ich bereits in Bad Schwartau in der Asklepios Klinik am Kurpark, um wieder auf die Beine zu kommen.

Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? Wo sitzt oder saß sie?

Meine Endometriose sitzt an den Harnleitern, an der Gebärmutter (auch an der Kaiserschnittnarbe), am Bauchfell, im Douglasraum und das größte Problem ist die Adenomyose. Die ist sehr ausgeprägt. Alle sichtbaren Herde konnten bei der Operation entfernt werden. Und auch die Verwachsung von Bauchdecke-Gebärmutter-Blase-Darm wurde wieder voneinander getrennt.

Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um?

Ich habe es die ersten sieben Monate ohne Pille versucht, aber es war dann die berühmte Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Entweder Schmerzen bis zur Bewusstlosigkeit (die Schmerzen wurden wieder mehr und ich wusste, da will ich auf keinen Fall mehr hin), oder die Gefahr, zurück in die graue Suppe zu müssen. Ich entschied mich für die graue Suppe mit einem Funken Hoffnung, dass es doch gut gehen würde.

Ich nahm die Dienogest, führte die Physiotherapie fort, hatte meine Ernährung umgestellt und viele positive Energien aus der AHB mitgenommen. Aber es langte nicht. Es tat immer noch so weh, also entschied ich mich, zusammen mit dem Endometriose Zentrum die Dosis der Dienogest zu verdoppeln. Volle Keule! Aber damit war es „gut“. Es ist zwar kein Tag so richtig schmerzfrei, aber ich habe kaum Schmerzmittel nehmen müssen und lag nicht mehr vor Schmerzen im Bett den ganzen Tag, und das ist für mich schon so unglaublich viel wert.

Das habe ich ein Jahr fast durchgezogen. Dann kamen die Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen und grauer Schleier des Todes zurück und wir reduzierten wieder auf eine Pille pro Tag. Es hat acht Wochen gedauert, aber jetzt hat es sich gut eingependelt und damit fahre ich weiterhin gut. Zudem mache ich immer noch einmal die Woche Physiotherapie, gehe einmal im Quartal zur Osteopathie und bewege mich viel. Das ist im Moment mit akuter Stressreduktion mein „guter Fahrplan“ mit meiner Endometriose. Ich habe sie akzeptiert und wir leben gut zusammen.

Wie geht dein Umfeld mit deiner Endometriose um?

Für mein Umfeld war es nicht immer leicht – erst die unsagbaren Schmerzen, dann die Stimmung, immer war etwas anderes. Aber viele haben auch großes Verständnis gezeigt und mich gut begleitet. Ich hatte zum Glück im Job immer Chefs, die absolutes Verständnis hatten und Rücksicht genommen haben. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, die Ehe hat nicht darunter gelitten. Wenn man allerdings zusammen daran arbeitet, dann bekommt man das gut hin. Ich finde es immer wichtig, die Lage auch mal aus den Augen des anderen zu betrachten, denn ja: Wir haben Schmerzen. Aber die anderen müssen oft tatenlos zusehen und das ist auch nicht leicht!

Was würdest du jemandem mitgeben, der kurz vor seiner Operation steht oder frisch diagnostiziert wurde?

Frage dich, ob du dich gut betreut fühlst. Wenn das der Fall ist, dann hab Vertrauen! Die Ärzte wissen, was sie tun. Und vertraue auch deinem Körper und dir selbst. Lass dir nie einreden, dass deine Schmerzen nicht wichtig oder schlimm genug sind. Du kennst dich am besten! Stehe für dich selber genauso ein wie du auch für deine beste Freundin einstehen würdest!

Und wenn du deine Diagnose ganz frisch hast: Wissen ist Macht! Informiere dich bei seriösen Quellen über die Endometriose! Probiere Dinge aus und glaube niemandem, der das Wort „heilen“ in den Mund nimmt. Bei dir können Dinge helfen, die bei anderen Betroffenen ganz Schreckliches ausgelöst haben. Manchmal hilft nichts, als es zu probieren und dann auch Geduld zu haben. 

Was möchtest du noch gerne einfach mal loswerden?

Vergiss nie, dass du viel mehr bist als deine Erkrankung! Du bist ein Mensch, ein wunderbarer sogar, du kannst so viel schaffen, du lebst MIT der Erkrankung und BIST NICHT die Erkrankung! Traue dir Dinge zu. Du wirst überrascht sein, wie oft du über dich hinauswachsen kannst!

Ich wünsche mir einfach für die Zukunft, dass wir rauskommen aus dem „ich bin viel kränker als du“ oder „mir geht es viel schlechter“. Lasst uns wieder nach vorne sehen, Dinge ausprobieren, berichten von Erfolgen aber auch von Misserfolgen, ohne dass darüber geurteilt wird. Ich hoffe, wir können uns wieder mehr als Mitmenschen sehen, als ein Haufen voller Kranker. 
Ich bin mir sicher, dass es in den nächsten Jahren in der Forschung Fortschritte geben wird. Und wenn wir alle zusammen an dem Ziel arbeiten nach vorne zu gehen und unsere Lebensqualität verbessern können, dann lasst uns das zusammen anpacken. <3 

Danke liebe Lea, dass du uns die Chance gibst, unsere Geschichte zu erzählen. Ich bin mir sicher, der ein oder andere liest das und wird Parallelen feststellen. Und wenn ich mit meiner Geschichte nur einem Menschen helfen kann, so wie es meine Freundin damals bei mir getan hat, dann haben wir doch schon 100 Prozent gewonnen!

Danke Sina!

Liebe Sina, vielen Dank für deine Geschichte und deine so wichtigen Worte am Ende! Ganz sicher wirst du mit deinem Beitrag jemandem da draußen helfen können und trägst so auch einen weiteren Teil zur Aufklärung über Endometriose bei. Danke!

Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!

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