Es ist März – der Monat der Endometriose! Deshalb soll es in diesem Monat auf meinem Endometriose Blog vor lauter Beiträgen von euch da draußen nur so wimmeln! Mittlerweile kennt ihr sie ja auch sicher alle: Meine Serie Gesichter der Endometriose, in der ich euch Endosisters die Möglichkeit geben möchte, eure ganz persönliche Endometriose Geschichte mit uns allen zu teilen und damit selber einen Teil zur Aufklärung über diese Krankheit zu leisten. Ich möchte meinen Endometriose Blog einfach dafür nutzen, so viele Facetten dieser Krankheit wie es geht zu zeigen, vor allem jetzt im März. Ohne euch wäre das natürlich aber gar nicht möglich – deshalb möchte ich mal wieder Danke sagen! Für euer Vertrauen, eure Geschichten hier mit uns zu teilen, und eure Aufklärungsarbeit.
So, heute erzählt die liebe Tanja, die sicherlich einige von euch als endometriose_ist_nicht_harmlos von Instagram kennen, ihre Endometriose Geschichte…
Ganz kurz vorweg: Wer bist du eigentlich?
Hallo, ich heiße Tanja, bin 34 Jahre alt und komme aus der Stadt Siegen, die im schönen Nordrhein-Westfalen liegt. Beruflich habe ich Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte gelernt und erfolgreich abgeschlossen. Da mir dies zu langweilig wurde, arbeite ich heute in einem kleinen Store, wo ich coole Sneaker verkaufe. Einige kennen mich bereits von meinem Insta-Account endometriose_ist_nicht_harmlos. Ich bin frisch verheiratet und lebe mit meinem Mann allein, Kinder haben wir keine.
Nun zu deiner Endometriose Geschichte: Welche Symptome hattest du?
Meine erste Periode bekam ich als ich 13 Jahre alt war und ich hatte damals schon immer recht starke Unterleibsschmerzen. Nun, wie das nunmal so ist, dachte ich damals noch, dass es normal sei. Mit den Jahren wurde der Schmerz immer größer und ich griff immer mehr zur Ibuprofen, um meinen Schmerzen Linderung zu verschaffen. Letzten Endes landete ich beim Frauenarzt, der mir aufgrund der Schmerzen dazu riet, die Antibabypille zu nehmen – mittlerweile war ich 14 und hatte auch meinen ersten Freund. Die nächsten Jahre hatte ich immer sehr starke Unterleibsschmerzen, die ich aber immer mit Ibuprofen in den Griff bekam. Immer wieder versicherte mir der Frauenarzt, dass es normal sei und manche Frauen einfach etwas empfindlicher seien als andere.
Okay, dachte ich mir, ich bin einfach eine Memme und schluckte fleißig weiter meine Schmerzmittel. Mit der Zeit wusste ich nicht mehr ein noch aus. Doch dann ging mein Frauenarzt in Rente und ein neuer übernahm seine Praxis mitsamt Personal und Patienten – vielleicht konnte er mir ja helfen. Im Zeitalter von Google war die Versuchung auch einfach zu groß und natürlich habe ich Nachforschungen angestellt und bin das erste mal auf das Wort Endometriose gestoßen. Bei meinem nächsten Kontrolltermin sprach ich meinen Gynäkologen sofort darauf an, kann es sein, dass ich Endometriose habe?
Er lachte mich quasi fast aus und meinte nur: „Ne ne, das können Sie nicht haben. Ihre Schmerzen sind ganz normal.“ Da ich damals nur stichprobenartig einen Artikel über Endometriose gelesen hatte, wusste ich nicht, dass es nur über eine Bauchspiegelung diagnostiziert werden kann. Ich glaubte ihm, schließlich war er der Doc und wenn ich sowas hätte, dann würde er es ja schon sehen können. Ich schluckte weiter meine Ibuprofen, mittlerweile am ersten und zweiten Perioden-Tag alle drei Stunden zwei Tabletten. Die erste „Dosis“ morgens um fünf Uhr, damit ich um sechs Uhr aufstehen konnte, um mich für die Arbeit fertig zu machen.
Wann und wie wurde deine Endometriose dann diagnostiziert?
Als ich 32 Jahre alt war kam ich zu dem Entschluss, die Pille abzusetzen. Ich hatte viel Schlechtes gelesen und wollte meinem Körper etwas Gutes tun. Mein Partner und ich waren jetzt auch bereit dazu eventuell ein Kind großzuziehen und Verantwortung zu übernehmen. Nach dem Absetzen der Pille wurde mir sehr schnell bewusst, dass meine Schmerzen immer stärker wurden. Schon bald hielt ich es nicht mehr aus und wollte mir einen Termin bei meinem Gynäkologen vereinbaren – es musste endlich etwas passieren.
Am Samstag den 10. November 2018 war ich auf der Arbeit und sagte schon zu meiner Kollegin, dass ich heute so ein Völlegefühl habe und auch gar kein Hunger. Ich hoffte, dass ich mir nichts eingefangen habe. Den ganzen Tag trank ich Fenchel-Kümmel-Anis-Tee und abends, als ich zuhause war, legte ich mir die Wärmflasche auf den Bauch, da dieser mittlerweile auch zu schmerzen begann. Den ganzen Sonntag über ging es mir richtig dreckig und die Bauchschmerzen wurden immer heftiger. Als ich mit meiner Mutter telefonierte, um nach Rat zu suchen, wollte sie schon mit mir ins Krankenhaus fahren. Natürlich wollte ich das nicht, die Schmerzen würden bestimmt morgen wieder weg sein. Vorsorglich gab ich meiner Chefin aber Bescheid, dass ich am Montagmorgen meinen Hausarzt aufsuchen würde, um das abzuklären.
Ich muss dazu sagen, dass ich nicht der Typ Mensch bin, der gleich zum Arzt geht. Ich war die letzten zehn Jahre nie krankgeschrieben. Montagmorgen hatte ich solche Schmerzen, das meine Mutter von der Arbeit kam, um mich zum Arzt zu fahren. Ich konnte nicht – ich war nicht in der Lage dazu Auto zu fahren. Meine Mutter wollte, dass ich den Krankenwagen rufe, aber das wollte ich immer noch nicht. Mein Hausarzt konnte die Ursache meiner starken Schmerzen nicht herausfinden. Er hängte mich an einen Schmerztropf, der mir für den ersten Moment Linderung verschaffte, und lies mich mit einem Krankentransport ins Krankenhaus einliefern.
Wie ging es dann weiter?
Es begann ein Untersuchungsmarathon. Ausgehend von einem eingeklemmten Nierenstein im Harnleiter ging es erst auf die Urologie. Als das keine positiven Befunde brachte, legte man mich auf die Gastroenterologie. Ein Tumor-Verdacht wurde aufgrund meines Alters einfach ausgeschlossen und man ging von Verstopfungen aus. Mein Bauch wurde zu einem immer größeren Abdomen und die Luft im Bauch schmerzte so sehr. Ich sah aus wie im siebten Monat einer Schwangerschaft. Immer wieder bekam ich Schmerzmittel, die entweder nach 30 Minuten ihre Wirkung verloren oder erst gar nicht angeschlagen haben. Ibuprofen, Buscopan, Novalgin, Oxycodon, Morphine… nichts half. Bis zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben habe ich nicht gewusst, dass es Schmerzmittel gibt, die nicht helfen können.
Inzwischen war es Donnerstag, es wurde eine Darmspieglung gemacht, die abgebrochen wurde, da sie nach 20 Zentimetern nicht mehr weiter kamen. Ich bekam einen rektalen Einlauf, aber nichts half. Nun kamen die Krankenschwestern darauf, das es wohl alles meiner Einbildung entsprach und es an meiner Psyche lag. Anscheinend nervte sie meine Anwesenheit. Seit sechs Tagen litt ich nun unter diesen höllischen Schmerzen und ich hatte seit vier Tagen keine feste Nahrung aufgenommen. Meine Mutter und meine Schwester waren verzweifelt und konnten mich nicht mehr leiden sehen. Sie organisierten bereits einen Krankentransport, der mich in ein anderes Krankenhaus bringen sollte, da hier nichts passierte. Abends um 19.30 Uhr kam der Oberarzt zu mir und ich flehte ihn an, er solle mich bitte einfach aufschneiden und gucken, was da los ist. Er soll die Luft aus meinen Bauch lassen – wenn nicht, würde ich aus dem Fenster springen, ich kann nicht mehr.
Wie oft wurdest du schon operiert und wie war das?
Endlich, der Doc kam meiner Bitte nach und 20 Minuten später war ich im OP. Ich war so so dankbar. Nachts um halb eins kam ich auf die Intensivstation, der Arzt kam zu mir und erzählte mir, er habe einen 32 Zentimeter großen Tumor rausgeholt. 14 Lymphknoten wurden entfernt und mein Darm war bereits auf zehn Zentimeter ausgeweitet und stand kurz vor dem Platzen. Auf die Frage, ob es Krebs war, konnte er mir nicht antworten. Später erfuhr ich, dass alle dachten, es wäre höchstgradig bösartig. Eine Stunde später hätte er nichts mehr für mich tun können. Er kam leider nicht drum herum mir einen künstlichen Darmausgang anzulegen, ein Kolostoma nach Hartmann. Ab heute trug ich also meinen Stuhlgang an einem Beutel vor meinem Bauch.
Elf Tage mussten wir auf meinen Befund warten und hofften jeden Tag, dass es kein Krebs ist. Dann endlich kam der Chefarzt zu mir und brachte den pathologischen Befund: Endometriose.
In einer zweiten Operation fünf Monate später sollte mein Stoma zurückverlegt und gleichzeitig die Endometriose saniert werden, allerdings in einem anderen Krankenhaus.
Am 28. März 2019 war dann endlich der Tag, an dem mein künstlicher Darmausgang hoffentlich zurückoperiert werden konnte. Auch würde ich in dieser Operation endlich Gewissheit bekommen, wo überall die Endo gewütet hatte.
Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? Wo sitzt oder saß sie?
Betroffen waren: Das Bauchfell an vier Stellen, das Becken links und rechts und die Blase, in die leider ein Loch hineingeschnitten werde musste, was anschließend übernäht wurde. Der linke Eierstock ist bereits von Endometrioseherden zerstört. Der Blinddarm musste entfernt werden und an der Gebärmutter wurde etwas weggeschnibbelt. Dazu war der komplette Dünndarm und Dickdarm an meinem Bauchfell und anderen Organen wie der Blase festgewachsen. Diese Verwachsungen wurden weitestgehend entfernt und mein Darm wurde wieder zurückverlegt.
Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um?
Nach der schweren Operation war ich drei Wochen zuhause, um Kraft zu tanken, und ging dann in die Reha. In dieser Zeit nahm ich noch die Pille im Langzeitzyklus, aber die setzte ich nach der Reha ab, da ich davon Bluthochdruck bekam und jeden Tag unter fürchterlichen Kopfschmerzen litt. Seit acht Monaten bin ich jetzt hormonfrei und habe immer noch mit den ausschleichenden Nebenwirkungen zu kämpfen. Zur Unterstützung meines Immunsystems und zur Vorbeugung von Entzündungen trinke ich jeden morgen die Goldene Milch nach Myra: Hagebutte, Kurkuma, Gerstengras und Ashwagandha. CBD-Öl morgens und abends helfen mir bei Schmerzen und um das Allgemeinbefinden zu verbessern.
Auch meine Ernährung habe ich nach und nach umgestellt: Ich koche frisch, das Essen wird dampfgegart, Fleisch reduziert – allerdings nicht weggelassen. Milch habe ich durch Pflanzenmilch und Weizen gegen Dinkelmehl ersetzt. An der Bewegung hapert es ein wenig, doch ich gehe seit kurzem ins Studio und Schwimmen. Beim Hausarzt habe ich ein großes Blutbild machen lassen, um dann gezielt meine Mängel aufzufüllen.
Wie geht dein Umfeld mit deiner Endometriose um?
Meine Familie und mein Mann waren mir in der schwersten Zeit meines Lebens die größte Stütze und ohne sie hätte ich wahrscheinlich aufgegeben. Bis heute zeigen sie Verständnis, auch wenn ich einen schlechten Tag habe. Einige Verwandte, Bekannte und Kollegen verstehen aber oft immer noch nicht, warum ich noch nicht geheilt bin. Ich sei ja schließlich operiert und müsste ja jetzt wieder gesund sein. Diesen Satz lasse ich jetzt einmal so stehen und jeder, der an Endometriose leidet, wird wissen, wie ich mich dabei fühle.
Es ist schwer für mich, die Endometriose zu akzeptieren, aber ich dulde sie – mir bleibt ja auch nichts anderes übrig. Der Gedanke daran, noch einmal diese Qualen zu erleiden, macht mir einfach Angst und diese Angst wird immer bleiben. Nur passe ich auf, dass sie mich nicht auffrisst. Der Umgang mit euch, der Community, stärkt mich und tut mir so unglaublich gut. Auch die Mädels aus unserer Selbsthilfegruppe in Siegen, die ich jeden Monat besuche, sind unheimlich wertvoll für mich, denn dort weiß ich, dass ich nicht alleine bin. Wir unterstützen uns gegenseitig.
Was würdest du jemandem mitgeben, der kurz vor seiner Operation steht oder frisch diagnostiziert wurde?
Jemandem, der frisch diagnostiziert wurde, würde ich raten, sich zu belesen. Sammelt so viele Infos über die Endometriose, wie ihr kriegen könnt. Die Aufklärung der Ärzte lässt leider zu wünschen übrig und hier ist Hilfe zur Selbsthilfe der Schlüssel. Hinterfragt ruhig alles, was die Ärzte euch erklären, und lasst euch nicht abwimmeln. Wenn jemand euch oder eure Schmerzen nicht ernst nimmt, dann geht zum nächsten – am besten immer in ein Endometriose Zentrum.
Was möchtest du noch gerne einfach mal loswerden?
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der lieben Lea für die Gelegenheit bedanken, hier meine Geschichte mit euch teilen zu dürfen. Auch für die tolle Aufklärungsarbeit, die sie leistet, und einfach immer mit einem sympathischen Lächeln voran geht. Danke für alles!
Danke Tanja!
Das Dankeschön kann ich nur zurückgeben an dich, liebe Tanja. Danke dafür, dass du einen so großen Beitrag zur Aufklärung leistest, auch bei Instagram, indem du deine Endometriose Geschichte mit der Welt teilst! Ich schließe mich auch mal wieder dem an, dass ihr immer alles hinterfragen solltet, was euch gesagt wird. Meistens wissen wir selber nämlich doch am besten, ob mit uns etwas nicht stimmt – also bleibt immer hartnäckig!
Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen – egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!