Annes Endometriose Geschichte

Anne, die heute ihre Endometriose-Geschichte erzählt, im Krankenhaus.

„Im Aufwachraum ertastete ich drei Pflaster und einen Katheter – mir dämmerte langsam, dass da doch etwas gewesen sein musste. Aber ich hatte noch ein ganz anderes Problem: Ich bekam keine Luft mehr…“

Anne, die heute ihre Endometriose-Geschichte erzählt, im Krankenhaus.

Die meisten von euch kennen bestimmt das Buch „In der Regel bin ich stark“ von Anna Wilken. Solltet ihr es auch gelesen haben, dann kennt ihr auch die liebe Anne schon – sie begegnet euch dort nämlich ab Seite 220 mit einem Beitrag zum Kapitel „Let’s talk about love, baby“! Deshalb freu ich mich natürlich umso mehr, dass Anne heute ihre Endometriose Geschichte nochmal ausführlich hier mit uns teilt…

Ganz kurz vorweg: Wer bist du eigentlich?

Ich heiße Anne, bei Instagram @candlelightblush. Ich bin 22 Jahre alt und studiere Soziale Arbeit in Mainz, komme aber ursprünglich aus der Nähe von Köln. Mein Studium neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Was danach kommt, werde ich noch herausfinden. Aktuell bin ich im Praxissemester und arbeite in einer Bildungsinstitution im Bereich Erwachsenenbildung. 

Ich setze mich gerne für alles ein, was mich bewegt, rede darüber und diskutiere viel – oftmals auch sehr emotional – über diese Dinge. Eines davon ist definitiv die Endometriose. 

Ich verliere oft Dinge, am liebsten wichtige Dinge und bin generell manchmal ein wenig tollpatschig. Mich kann man schnell zum lachen bringen, nur macht meine Lache manchmal eher den Anschein, als würde ich ersticken. In meinem Kopf herrscht ein ständiges Chaos, indem ich mich ab und zu verirre. 

Nun zu deiner Endometriose Geschichte: Welche Symptome hattest du?

Seit ich mich erinnern kann, hatte ich immer eine sehr schmerzhafte Periode. Mein Frauenarzt verschrieb mir mit 13 die Pille, hauptsächlich wegen Hautproblemen, aber Schmerzen würde sie auch lindern, war seine Aussage. In meinem Umfeld war es „normal“ die Pille zu nehmen, so wie es auch „normal“ war, während der Periode Schmerztabletten zu nehmen. Ich dachte mir nichts weiter dabei, wenn ich Monat für Monat täglich mehrere starke Schmerztabletten während meiner Periode schluckte.

Phasenweise hatte ich auch außerhalb meiner Periode Unterleibsschmerzen und war sehr infektanfällig. Nach einer Magenspiegelung und einem Unverträglichkeitstest war für alle Beteiligten schnell klar, dass wir die Schmerzen auf eine Lactose-Unverträglichkeit schieben konnten. Die Infektanfälligkeit wurde auf die Mandeln geschoben. Also wurden diese entfernt und alles sollte besser werden. Das war 2015. 

Ich hatte immer wieder Phasen, auch monatelang, in denen es mir gut ging, außerhalb meiner Periode. 

Kurz nach meinem Umzug nach Mainz begannen heftige, dauerhafte Unterleibsschmerzen. Sie waren mal schlimmer und mal besser, aber sie blieben mein konstanter Begleiter. Mein neuer Hausarzt hier diagnostizierte eine Nierenbeckenentzündung, welche mit Antibiotika behandelt wurde. Die Antibiotika halfen nicht. Ich wusste nicht, was mit mir los ist und woher diese Schmerzen kamen. Irgendwo verkrümmt vor Schmerzen zu sitzen, war keine Seltenheit mehr. Hinzu kam innerhalb von zwei Monaten eine „dauerhafte Blasenentzündung“, nur dass keine Bakterien im Urin gefunden wurden. Einmal war ich deswegen sogar im Krankenhaus, dort wurde dann aber auch nichts weiter gemacht. Ein Symptom machte mir jedoch am meisten Angst, ich blutete häufig beim Geschlechtsverkehr und hatte zudem währenddessen manchmal unglaubliche Schmerzen. Das war für mich unerklärlich und vor allem belastend, denn ist Sex nicht das Normalste der Welt? Wieso sollte das bei mir solche Folgen haben?  

Ich erinnere mich besonders an einen Tag, Anfang 2018, an dem ich in die Uni ging und dort einfach nur mit dem Kopf auf dem Tisch lag. Ich hatte unerträgliche Schmerzen und ging nach der Vorlesung direkt wieder heim. Den ganzen Tag konnte ich mich kaum bewegen, und ab diesem Tag wurde mir bewusst, dass meine Schmerzen ernster waren, als ich es ahnte. 

Wann und wie wurde deine Endometriose dann diagnostiziert?

Einen wesentlichen Anteil an der Diagnose hatte mein damaliger Freund. Wir kamen ziemlich schnell nach meinem Umzug und so auch inmitten meiner Schmerzen zusammen. Seine Schwester hat Endometriose und er verglich unsere Symptome. Weil er mich immer wieder dazu ermutigte, die Ärzte zu wechseln und abzuklappern, bis einer mich ernst nahm und den Verdacht der Endometriose äußerte, bekam ich bei dem 5. Frauenarzt eine Überweisung für eine Bauchspiegelung. 

Wir entschieden uns entgegen des Wunsches von meinem Gynäkologen diese Bauchspiegelung nicht ambulant durchführen zu lassen. Letztendlich fand die Operation im August 2018 in einem Endometriose Zentrum in Köln statt. Auch dort hielten es die meisten Ärzte für unwahrscheinlich, dass ich Endometriose hatte. Alles, was ich über Endometriose wusste, wusste ich von meinem früheren Freund. Ich fragte ihn jedoch auch nicht aktiv nach der Endometriose. Ich informierte mich nicht viel, da es seitens der Ärzte ja für unwahrscheinlich gehalten wurde. Und wenn, dann würden die Ärzte mich schon informieren, dachte ich. Die Diagnose folgte ein paar Stunden nach der Bauchspiegelung.  

Wie oft wurdest du schon operiert und wie war das?

Die „Diagnose-Operation“ war bis jetzt meine erste und einzige Operation. In der Operation wurden zugleich auch Endometrioseherde entfernt. Schon im Aufwachraum ertastete ich drei Pflaster und einen Katheter – mir dämmerte langsam, dass da doch etwas gewesen sein musste. Aber ich hatte noch ein ganz anderes Problem: Ich bekam keine Luft mehr. Mehrmals versuchte ich, noch benebelt von der Narkose, dem Krankenpfleger deutlich zu machen, dass ich nicht mehr Schmerzmittel wollte, sondern Nasentropfen, da ich keine Luft mehr bekam. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, erst nach dem vierten Mal reagierte er. Ich hatte derzeit das Gefühl, ich würde dort ersticken.

Wieder im Krankenhauszimmer bestätigte sich die Diagnose dann durch den Arzt. In dem Moment dachte ich noch gar nichts, ich wollte einfach nur nach Hause und weg aus diesem Krankenhaus. Ich wusste nicht, was für ein Alptraum noch auf mich zukommen würde. Ich fühlte mich nur so unendlich hilflos und schwach und wollte, dass das Angewiesensein auf die Hilfe von anderen und die Schmerzen möglichst schnell aufhörten. Am nächsten Tag bekam ich einen Brief in die Hand gedrückt und wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Ohne weitere Informationen.  

Nach zwei Tagen bei meinen Eltern wurde ich zurück nach Mainz gefahren und war von da an auf mich alleine gestellt, was, wie sich herausstellte, zu einer wirklichen Schwierigkeit werden sollte, denn die Schmerzen wurden schlimmer anstatt besser. Ich hatte kaum viel Zeit, um mich wirklich mit der Diagnose oder mit den Folgen zu beschäftigen. Ich musste versuchen, meinen Alltag irgendwie zu bewältigen, obwohl so etwas wie einkaufen gehen für mich ein wirklicher Akt war. Außerdem musste drei Tage nach der Operation mit dem Schreiben einer Gruppen-Hausarbeit begonnen werden, bei den Gruppentreffen lag ich mit meinem Laptop und unter Schmerztabletten im Bett. Als ich zum Fäden ziehen kam, verschrieb mir mein Gynäkologe eine neue, andere Pille. Diese Pille verschlimmerte alles noch viel mehr. Ich hatte Schmerzen, wie noch nie zuvor in meinem Leben.

Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? Wo sitzt oder saß sie?

Von der Endometriose befallen war bei der ersten Operation hauptsächlich der Douglasraum und das Bauchfell. 

Meine jetzigen Ärzte gehen davon aus, dass dort aber einiges übersehen wurde oder die Endometriose sich seitdem sehr schnell auch an anderen Stellen verbreitet hat. Wahrscheinlich wird die nächste Operation bald folgen.  

Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um?

Mittlerweile habe ich mir sehr viel Wissen über Endometriose angeeignet, bin relativ schnell schon in den Austausch mit anderen Betroffenen gegangen und war auch gegenüber meinen Freunden immer offen, was meine Symptome und deren Folgen für mich angeht. In Mainz gibt es seit letztem Monat eine Endometriose Selbsthilfegruppe, die bestimmt hilfreich sein wird. Ich habe meinen Gynäkologen gewechselt und mittlerweile einen sehr guten Gynäkologen und auch Hausarzt hier gefunden. Außerdem war ich letztes Jahr im Frühling bei einem Heilpraktiker in Behandlung und gehe regelmäßig zu einer Allgemeinärztin, die mich homöopathisch behandelt.

Im März 2019 habe ich die Pille abgesetzt und nehme seitdem keine Hormone mehr. Ich fühle mich dadurch besser, und habe das Gefühl, ohne die Nebenwirkungen der Pille besser mit allem umgehen zu können. Auch wenn das bedeutet, dass deswegen die Endometriose eventuell jetzt so schnell gewachsen ist. 2019 war definitiv ein Jahr, was auch von Schmerzen geprägt war, seit Anfang diesen Jahres sind die Schmerzen jedoch wieder sehr extrem, sowohl in der Stärke als auch in der Häufigkeit.

Ein größeres Thema, was mich noch beschäftigt, ist das Thema Kinderwunsch. Ende letzten Jahres war ich in einer Kinderwunschklinik, das Ergebnis war eher unerfreulich. Sich mit 22 Jahren Gedanken über die Kinderplanung und überhaupt die Möglichkeit Kinder zu bekommen machen zu müssen, zehrt sehr deutlich zusätzlich an meinen Kräften. Dieses Jahr werde ich auch einen Termin in einem Schmerzzentrum vereinbaren und hoffe, dass sie mir helfen können.

Ich versuche jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt, und alle Gefühle zuzulassen, die in mir hochkommen und freue mich über jeden Tag, den ich ohne Schmerztabletten und größere Schmerzattacken überstehe. Ich versuche, mir nicht zu viel nehmen zu lassen und trotz der Schmerzen möglichst viel zu unternehmen, zu erleben und alles zu machen, was ich möchte. Aber eben auch zu akzeptieren, wenn etwas nicht geht, ist wichtig. Die Endometriose gehört zu mir und zu meinem Körper, ich versuche das zu akzeptieren und anzunehmen, das klappt an manchen Tagen mehr und an manchen weniger, aber das ist okay.   

Wie geht dein Umfeld mit deiner Endometriose um?

Meiner Familie fällt es schwer, zu verstehen, was da in meinem Körper passiert und was die Auswirkungen davon sind. Die eine Hälfte spielt es runter, die andere Hälfte beschäftigt sich nicht richtig damit. Ich weiß aus eigenen Erfahrungen, dass es schwer ist, geliebte Menschen so leiden zu sehen und vor allem auch, wie komplex das Thema Endometriose ist. Es fällt ihnen sehr schwer damit umzugehen, dennoch versuchen sie mich zu unterstützen, so gut wie sie eben können. Ich erzähle meiner Familie meistens nicht sehr viel von meinem Schmerz-Alltag, da ich weiß, dass das auch gerade aufgrund der Entfernung eine sehr große Belastung für sie wäre. 

Von meinen Freunden sind die allermeisten wirklich sehr unterstützend. Ich bin unglaublich dankbar, einen solchen Freundeskreis zu haben – das ist nicht selbstverständlich.

Seit Anfang des Jahres bin ich nicht mehr mit dem auch oben erwähnten Mann zusammen, der mich über den Diagnoseweg hinweg begleitet und unterstützt hat. Die Endometriose hat definitiv Auswirkungen auf eine Beziehung und sie wird es auf jede meiner Partnerschaften haben. Es war oft nicht einfach in den letzten Jahren mit mir als Partnerin und den Auswirkungen der Endometriose. Aber er war während dieser ganzen Zeit ein wichtiger Anker in meinem Leben, während ich meinen persönlichen Alptraum lebte. Ohne ihn wäre ich niemals so schnell zu dieser Diagnose gekommen und ich wüsste nicht, wie ich diese Zeit ohne ihn überstanden hätte. 

Was würdest du jemandem mitgeben, der kurz vor seiner Operation steht oder frisch diagnostiziert wurde?

Stell Fragen! Wechsel den Arzt so lange, bis einer dich ernst nimmt! Setze dich für dich selbst und deine Gesundheit ein. Auch wenn dir niemand glaubt, denn du selbst spürst am besten, wenn etwas mit deinem Körper nicht stimmt! Gib nicht auf! Ja, es ist unfair und nicht einfach, aber du schaffst das, ich glaube an dich. 

Was ich auch empfehlen kann, ist Termine bei der Endometriose Vereinigung zu vereinbaren. Die Beraterinnen dort haben echt Ahnung und helfen einem bei allen Fragen weiter. 

Was möchtest du noch gerne einfach mal loswerden?

Ich würde mir wünschen, dass Endometriose kein Tabu-Thema mehr ist. Dass endlich mehr Geld in die Erforschung der Ursachen und dann irgendwann in die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten gesteckt wird. Dass uns endlich zugehört wird. Ich bin mir sicher, wären nicht hauptsächlich nur Frauen betroffen, wäre schon viel mehr in der Hinsicht passiert und das macht mich unglaublich wütend. 

Danke Anne!

Ihr kennt das bereits, aber natürlich geht auch an dieser Stelle mal wieder ein dickes Dankeschön raus an dich, liebe Anne! Danke, dass du uns an deiner Endometriose Geschichte teilhaben lässt und damit einen Teil zur Aufklärung über die Endometriose leistest. Ich laufe zwar jetzt Gefahr, mich zu wiederholen, aber ich möchte Anne natürlich auch noch einmal Recht geben: Wir selber wissen immer am besten, wenn etwas mit uns nicht stimmt, und es ist einfach so unglaublich wichtig, darauf zu hören! Egal, ob andere das ernst nehmen oder nicht – nervt sie im Zweifel so lange, bis sie es tun, vor allem eure Ärzte.

Auch ich wünsche mir natürlich, dass die Endometriose irgendwann kein Tabu-Thema mehr sein wird. Deshalb tue ich mit meinem Endometriose Blog genau das, was ich tue. Aber ich glaube auch fest daran, dass wir hier definitiv auf dem richtigen Weg sind, um genau diesen Punkt irgendwann zu erreichen. Und ihr alle da draußen, die ihr eure Endometriose Geschichten mit uns teilt, tragt einen so großen Teil dazu bei!

Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen – egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!

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