Miriams Endometriose Geschichte

Miriams Endometriose Geschichte

„Ich habe über Stunden versucht, sämtliche Ärzte aus allen Fachbereichen davon zu überzeugen, dass ich weder schwanger bin noch übermäßig viel Alkohol getrunken habe und ich auch nicht drogenabhängig bin…“

Miriams Endometriose Geschichte

Stell dich doch vorab einmal kurz vor! 

Hi, mein Name ist Miriam und ich bin 28 Jahre alt. Ich lebe mit meinem Partner im wunderschönen Würmtal nahe München und ich leide an Endometriose und Adenomyose. 

Welche Symptome hattest du? 

Solange ich zurückdenken kann, habe ich starke Schmerzen während meiner Periode. Man wird schon als junges Mädchen mit seinem „Schicksal“ konfrontiert und lernt somit, mit den Schmerzen zu leben, die angeblich ja zum „Frau sein“ dazugehören. Als dann Jahre später auch schlimme Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs dazukamen, habe ich das Ganze endlich mal bei meiner Gynäkologin angesprochen. 

Die Antwort hat mich nicht nur schockiert, sondern ich habe mich auch gedemütigt und bloßgestellt gefühlt: „Suchen Sie sich doch mal Männer, die nicht so grob im Bett mit Ihnen sind.“ Über diese unqualifizierte Aussage ärgere ich mich auch jetzt noch – fast zehn Jahre später. Auch, dass sie immer wieder freie Flüssigkeit in meinem Bauchraum feststellte, schien sie nicht sonderlich zu beunruhigen. 

Also nahm ich die Schmerzen weitere Jahre hin und versuchte, mich nicht reinzusteigern. 

Im Dezember 2018 habe ich mich dann entschlossen, die Pille abzusetzen. Immerhin verhütete ich zu diesem Zeitpunkt schon seit fast elf Jahren hormonell. Ich wollte meinem Körper diese Hormone nicht mehr antun und ihm langsam Zeit geben, einen regelmäßigen Zyklus zu bekommen, da auch ein Kinderwunsch bei mir schon immer präsent war. 

Da fing der ganze Spuk aber erst richtig an. Meine Regelschmerzen wurden unerträglich, ich bekam plötzlich Lebensmittelunverträglichkeiten, mein Bauch blähte sich auf und ich sah aus, als wäre ich im sechsten Monat schwanger. Im Juli 2019 wurde es dann so schlimm, dass mein Freund mich wegen Magenkrämpfen in die Notaufnahme fahren musste. Was soll ich sagen… man ist den Ärzten ausgeliefert und ich hatte wohl das Pech, an einen unmöglichen Haufen zu geraten.

Ich habe über Stunden versucht, sämtliche Ärzte aus allen Fachbereichen davon zu überzeugen, dass ich weder schwanger bin noch übermäßig viel Alkohol getrunken habe und ich auch nicht drogenabhängig bin, obwohl jegliche Schmerzmittel bei mir aktuell versagen. Einer der Ärzte schnauzte mich noch an, ich solle „halt einfach mal wieder vernünftig auf die Toilette“. Unter Tränen sagte ich ihm, dass es sicherlich kein Verdauungsproblem sei, immerhin hatte ich kaum was gegessen. Also musste ich über Nacht bleiben – mit der Menge an Morphium, die ich bereits in den letzten vier Stunden bekommen hatte, wahrscheinlich die einzig vernünftige Lösung. 

Die Ärzte entschieden, mich in ein Fünf-Bett-Zimmer zu bringen. Als Willkommensgruß bekam ich vor versammelter Mannschaft erstmal einen Einlauf 

Zu diesem Zeitpunkt war eine Blinddarm-Entzündung übrigens noch nicht ausgeschlossen – und ich will gar nicht wissen, was passiert wäre, wenn es mein Bilddarm gewesen wäre…

Wie zu erwarten passierte nichts, ich hatte ja vor Schmerzen bereits seit dem Vortag kaum was gegessen. Die Lage verbesserte sich auch nicht, deshalb fragte ich nach einem Arzt. Die ziemlich entnervte Chirurgin kam mitten im der Nacht dann in das Zimmer und meinte: „Ja mei, dann müssen wir halt reinschauen.“ Die Schwester brachte mir dann die Unterlagen für die Not-OP – ich weiß bis heute nicht, was ich da in meinem Morphium-Rausch überhaupt alles unterschrieben habe. 

Als ich aus der Narkose wieder einigermaßen zurück im Leben war, erklärte sie kurz angebunden, dass nicht wirklich was zu sehen war. Der Blinddarm war etwas gerötet, den hat sie gleich mal mit rausgenommen. Ganz nach dem Motto: „Wenn wir schon mal aufmachen, soll es sich ja lohnen“. Eher beiläufig erklärte sie mir, dass während der Operation eine Verwachsung vom Magen abgerissen sei. (Später im OP-Bericht laß ich, die Verwachsung wäre am Dünndarm gewesen. Ich habe ja wirklich keine medizinische Ausbildung, bin mir aber sicher, es handelt sich dabei um zwei verschiedene Paar Schuhe – aber gut…) Verblüfft hab ich sie gefragt, was das denn bitte gewesen ist. Sie wisse es nicht, denn sie hielt es nicht für notwendig, das Gewebe einzuschicken. So lag ich da, völlig erschöpft und ohne Diagnose. 

Ich habe mich in meinem Leben noch nie so gedemütigt gefühlt wie in dieser Klinik. Ich hatte das Gefühl, hier kann ich sicher nicht gesund werden, also beschloss, ich mich zwei Tage nach der Operation selbst zu entlassen. Am nächsten Morgen war ich zur Kontrolle beim Hausarzt. Was soll ich sagen – ich sah katastrophal aus. Das nach einer Bauchspiegelung der Bauch noch gebläht sein kann, weiß jeder. Nur leider ist bei mir so ziemlich alles „in den Schritt gerutscht“. 

Ich glaube, wenn ich nicht so eine Angst gehabt hätte, hätte ich sogar ein bisschen lachen müssen. Den Anblick werd ich nie vergessen. Mein Hausarzt drehte fast durch und wollte den Sanka rufen. Panik! Der Sanka fährt einen ja ins nächstgelegene Krankenhaus – und da will ich nicht mal mehr hin, wenn ich im Sterben liege. Also ab in Mamas Auto und auf eigene Gefahr in eine kleine Privatklinik, ich wollte jemanden haben, den ich kenne. Wir hatten das Glück, hier einen befreundeten Arzt kontaktieren zu können. Er machte alles bereit bis wir nach ungefähr einer Stunde Fahrt ankamen. Er nahm einen Chirurgen dazu und ich zeigte ihnen, was da unten passiert ist. Ich sah in beide Gesichter und hörte dann den ersten Satz: „Wow, sowas hab ich echt noch nie gesehen!“ 

Also sofort ins CT, um zu gucken, was hier passiert ist. Ein paar Stunden später waren wir schlauer: Die vorherige Klinik hatte mir das Gas, welches während eine Bauchspiegelung in die Bauchhöhle geblasen wird, in mein Fettgewebe gespritzt. Zudem hatte eine der OP-Narben nach innen geblutet. So schwappte ein Blut-Gas-Gemisch fröhlich durch meinen Körper, sammelte sich, je nachdem ob ich lag, saß oder eben stand, in meinen Schambereich. Danke für nichts! 

Die Klinik hat sich dann wundervoll um mich gekümmert, mit Antibiotika haben wir es nach einer Woche auch wieder in den Griff bekommen. Es hätte auch anders enden können. Mit einer nicht erkannten Sepsis zum Beispiel. Also gut, ich erholte mich in den Wochen danach und bildete mir ein, dass jetzt die Beschwerden auch weg waren. 

Wann und wie wurde deine Enodmetriose dann diagnostiziert? 

Das hielt leider nicht lange an. Mein Körper sendete mir immer mehr Signale, dass hier etwas gewaltig schief läuft. Der Höhepunkt kam dann ab Winter 2019. Ich konnte während meiner Periode kaum mehr auf die Toilette gehen. Es wurde von Zyklus zu Zyklus unerträglicher, es fühlte sich an, als würden meine Innereien mit einer Gartenkralle aus mir rausgeholt werden. Die Schmerzen wurden so schlimm, dass ich bei jedem Klo-Besuch Angst hatte, in Ohnmacht zu fallen. 

Zu dieser Zeit hatte ich bereits von Endometriose gehört. Da auch mein neuer Gynäkologe die Beschwerden nicht ernst nahm, habe ich das selbst in die Hand genommen. 

Der erste Termin im MIC Zentrum München war ein Traum – wenn man das in der Situation überhaupt sagen kann. Aber endlich hat mir jemand zugehört, mich ernst genommen und ich hatte einen unglaublich einfühlsamen Arzt. Es gibt Schöneres, als mitten in der Pandemie eine Operation vor sich zu haben, aber Hr Prof. Dr. Weissenbacher war einfach ein Engel in dieser Zeit. Er hat meine Hand gehalten und alles genau erklärt. Da war sie dann also endlich – die Diagnose. Seit Mai 2020 weiß ich endlich, was mit mir nicht stimmt. 

Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? Wo sitzt oder saß sie? 

Die Operation fiel größer aus als vorerst gedacht. Das Bauchfell am Darm musste komplett entfernt werden, mein Becken, die Harnleiter, die Eierstöcke… es war einfach alles voll – Endometriose Stadium III und dazu noch Adenomyose. 

Ein Schlag ins Gesicht – aber auch endlich die Gewissheit. Ich bin nicht wehleidig oder bilde mir etwas ein. Ich bin krank. Chronisch krank. Die Heilungschance ist gleich Null. 

Wie geht dein Umfeld mit deiner Endometriose um? 

Die wenigsten meiner Mitmenschen kennen die Krankheit. Sie wissen nicht, was es bedeutet, damit leben zu müssen. Oder noch schlimmer… sie meinen, sie kennen sich aus. Sätze wie: „Ach ja, kenn ich, kannst keine Kinder bekommen oder?“, „Hatte eine Freundin auch, ist durch die Pille weggegangen!“, „Aber jetzt nach der Operation ist doch alles weg!“ und viele mehr brechen einem nicht nur das Herz, nein, sie machen einen sprachlos und auch sauer. Sauer über die Unwissenheit in unserer Gesellschaft, sauer über das fehlende Feingefühl.

Endometriose ist !nicht! heilbar. Es ist eine gutartige, aber chronische Erkrankung. 

Man hat vielleicht das Glück, eine Therapieform für sich zu finden, die für einige Zeit die Symptome lindert, aber deswegen verschwindet eine chronische Erkrankung nicht auf wundersame Weise.

Und trotzdem bin ich stolz. Stolz auf mich, weil ich lerne, auf meinen Körper zu hören und ihm die Ruhe zu geben, die er benötigt. Stolz auf meine Familie und Freunde. Ich durfte in den letzten 365 Tagen so viel Rückhalt und Verständnis erfahren und dafür bin ich unheimlich dankbar. 

Kurz nach der Diagnose liest man viele Berichte von Betroffenen, macht sich ein Bild von jeder so individuellen Geschichte. Und eines wird klar – es ist eine absolute Bewährungsprobe für die Beziehung. Viele halten dem nicht Stand, was ich absolut nachvollziehen kann und nie verurteilen würde. Als Partner ist es quasi nicht nachzuvollziehen, was im Körper passiert. Man steht daneben und ist machtlos. Man sieht den Menschen den man liebt leiden und kann nicht helfen. 

Und da ist mein Freund, so ein wundervoller Mensch, der bei mir steht, wenn die Tränen wieder fließen, obwohl er den Anblick kaum ertragen kann. Der mir eine Wanne einlässt oder mir eine Wärmflasche macht, wenn der Schmerz meinen Körper überrollt. Er gibt mir eine Fußreflexzonenmassage, wenn ich wieder tagelang nicht aufs Klo kann, und hört sich meinen Kummer und die Erschöpfung immer wieder und wieder an. Er ist an meiner Seite. Das ist absolut keine Selbstverständlichkeit und ich bin ihm unendlich dankbar dafür. 

Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um? 

Ich für mich kann sagen, dass mir die dreiwöchige Reha in Bad Waldsee im Dezember 2020 viel gegeben hat. Man hat die Möglichkeit, viele Therapiemöglichkeiten auszuprobieren und das Richtige für sich zu finden. Seit ich aus der Reha zurück bin, versuche ich mir einige Sachen beizubehalten. Pilates, Fußreflexzonenmassage, Physiotherapie mit Wärmepackungen, Rückenübungen und seit einiger Zeit mache ich auch bei dem Hula-Hoop-Hype mit, natürlich nach Absprache mit meinem Arzt. Denn durch die Bewegung können sich die Verwachsungen an meinem Darm lockern, welche ich bereits seit der letzten Operation wieder habe. 

Was möchtest du gerne noch loswerden oder anderen mitgeben? 

Das Wichtigste, was ich den anderen Endomädels mitgeben will, ist, dass man auf seinen Körper hört. Herr Prof. Dr. Weissenbacher hat zu mir gesagt: „Es gibt keine Frau, die Ihren Körper so gut kennt, wie eine Endometriose Patientin.“ Und das stimmt. Es gibt Tage, da vergesse ich sogar, dass ich unheilbar krank bin. An den anderen schaffe ich es kaum aus dem Bett, weil meine Beine wie gelähmt sind. Man muss lernen, Signale zu deuten und sich auch mal zurückzunehmen. Wenn ich also abends essen bestelle, obwohl ich aufgrund von Kurzarbeit den ganzen Tag zu Hause war, dann nicht, weil ich faul bin, sondern weil mein Körper von einem Schmerzschub überrollt wird und ich es nicht bis zum Supermarkt schaffe. Wenn die Wohnung nicht tip top sauber ist, dann weil ich mich vor Schmerzen immer wieder übergeben musste. 

Das A und O ist ein Arzt, der einem zuhört, einen versteht und ernst nimmt. Meine Geschichte ist wohl das beste Beispiel – und ich weiß, ich bin damit nicht alleine.

Wenn du dich also nicht gut behandelt fühlst oder dich jemand nicht ernst nimmt, bitte such dir einen anderen, qualifizierten Arzt! 

Und an alle nicht Betroffenen, die aber Bekannte, Freunde oder Familienmitglieder mit Endometriose haben: Nehmt euch die Zeit, setzt euch mit dem Thema auseinander, informiert euch, hört zu, habt das nötige Feingefühl, seid da, habt Verständnis, wenn ein Treffen kurzfristig abgesagt wird. 

Nur weil jemand gesund aussieht, heißt das nicht, dass er es auch ist. Nur weil jemand sagt, es ist alles ok, heißt es nicht, es geht ihm gut.

Danke Miriam!

Vielen Dank auch an dich, liebe Miriam, dass du so ehrlich und ausführlich von deinem langen Weg mit der Endometriose erzählt hast. Damit hast du dieser Krankheite ein weiteres Gesicht gegeben und einen weiteren Teil zur Aufklärung darüber beigetragen – danke dafür!

Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!

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