Leonies Endometriose Geschichte

Leonies Endometriose Geschichte

„Mit meinen gerade einmal 18 Jahren mache ich mir viele Gedanken. Über Fruchtbarkeit und Kinderwunsch, über Schmerzmittel und Hormone, über Ohnmachtsanfälle, Organschäden und Wechseljahre…“ 

Stell dich doch vorab einmal kurz vor!

Mein Name ist Leonie, ich bin 18 Jahre alt und habe gerade mein Abitur gemacht. Im Oktober werde ich mein Studium beginnen. 

Nun zu deiner Endometriose Geschichte: Welche Symptome hattest du? 

Meine erste Periode habe ich mit 13 bekommen. Sie war damals schon sehr schmerzhaft, relativ stark und mit tagelangem PMS verbunden. Ich fühlte mich zwar jeden Monat ein bis zwei Tage lang „krank“, konnte aber trotzdem zur Schule gehen und die Schmerzen (meistens) ohne Tabletten aushalten. 

An Heiligabend 2020 erreichten die Periodenschmerzen dann plötzlich ein ganz neues Level. Ich habe geschrien und geweint, konnte mich nicht auf den Beinen halten und hing mit Übelkeit über der Kloschüssel. Die eingenommene Schmerztablette wirkte erst nach etwa zwei Stunden. Das ermöglichte mir zumindest ein wenig, mit meiner Familie Weihnachten zu feiern, beseitigte meine Schmerzen jedoch nicht. Von nun an wurden die Beschwerden Monat für Monat schlimmer, meine Blutung stärker und die Schmerzen unerträglicher. Dazu gesellten sich Allergien und Nahrungsunverträglichkeiten, Durchfall und Verstopfung im Wechsel, ein ständig geschwollener Bauch und tagtäglich rund um die Uhr Schmerzen im Unterleib. 

Wann und wie wurde deine Endometriose dann diagnostiziert? 

Über den Instagram-Account von Anna Wilken wurde ich zufälligerweise zeitgleich mit der Verschlimmerung meiner „üblichen“ Periodenbeschwerden auf Endometriose und Adenomyose aufmerksam. Ich stellte schnell fest, dass sehr viele der Symptome auch auf mich zutrafen. 

Die Suche nach einer Gynäkologin gestaltete sich schwierig, weil in meiner Nähe kaum jemand noch neue Patientinnen aufnahm. Ein erster Termin im Februar 2021 endete nach zehn Minuten mit einem Rezept für die Pille statt einer Untersuchung. 

Im Mai 2021 bekam ich schließlich einen Termin bei meiner jetzigen Gynäkologin, die auch schnell den Verdacht auf Endometriose äußerte, obwohl der Ultraschall zunächst unauffällig blieb. Sie bat mir an, ein Rezept für die Pille auszustellen. Aber sie verstand auch meine Angst vor den Nebenwirkungen der Hormoneinnahme, sodass sie mir eine befreundete Ärztin empfahl, die sich auf Naturheilverfahren spezialisiert hatte. Nahrungsergänzungsmittel, Akupunktur und Neuraltherapie wirkten sich allerdings weder positiv noch negativ auf meine zunehmenden Beschwerden aus. 

Ich besorgte mir also selbst einen Termin in einem Endometriosezentrum in Dortmund. Auch hier war der Ultraschall unauffällig. Das sei aber bei etwa 95 Prozent der Betroffenen der Fall und könne nur durch eine Bauchspiegelung genauer betrachtet werden, so der Arzt. Obwohl ich mich bereits viel mit der Thematik auseinandergesetzt und sämtliche Blogs gelesen und YouTube-Videos geschaut hatte, war es ein Schock, nun tatsächlich über eine Operation nachdenken zu müssen. 

Ein Arzt meiner Mutter empfahl mir kurz darauf eine weitere niedergelassene Gynäkologin, welche sich auf Endometriose spezialisiert hatte. Sie war die erste, die Auffälligkeiten im Ultraschall wahrnahm. Meine Gebärmutterwände sind unterschiedlich dick und haben verschiedene Strukturen – ein typisches Zeichen für Adenomyose. 

Mit Beginn der nächsten Periode im November 2021 startete ich nun mit der Einnahme der Maxim im 21/7-Rhythmus. Meine Blutung wurde zunächst deutlich schwächer und weniger schmerzhaft. Die einzige Nebenwirkung war ein deutliches Wachstum meiner Brüste. Knapp drei Monate lang war ich sehr zufrieden mit dieser Lösung, bis die Schmerzen dann wieder stärker wurden. Während der Pillenpause benötigte ich immer wieder Schmerzmittel und auch sonst begleiteten mich die Schmerzen jeden einzelnen Tag. 

Ich dachte vermehrt über eine Bauchspiegelung nach. Im Januar 2022 holte ich mir eine weitere Meinung im Endometriosezentrum in Münster ein. Überraschenderweise war hier im Ultraschall eine Zyste am rechten Eierstock zu erkennen, die zwar nicht dringend operiert werden musste, aber der Grund für meine eher rechtsseitigen Schmerzen war. Wie sich diese innerhalb der letzten acht Wochen gebildet haben konnte, konnte sich niemand erklären, denn eigentlich sollte die Pille das Wachstum von Endometrioseherden und Zysten ja hemmen. 

Der Arzt untersuchte mich anschließend vaginal und rektal und tastete dabei auch Blase und Darm ab. Aufgrund meiner Schmerzen dabei vermutete er Endometriose an Blase, Darm, Gebärmutterwand sowie im kleinen Becken und empfahl mir auch eine Laparoskopie. Nach vier verschiedenen Ärzt*innen mit gleicher Meinung wurde mir dann klar, dass ich auf Dauer nicht um eine Operation herumkommen würde. 

Wie oft wurdest du schon operiert und wie war das? 

Ich habe mich letztendlich für eine Bauchspiegelung entschieden. Um endlich Gewissheit zu haben, was mit mir los ist und woher meine Schmerzen kommen. Zweimal wurde mein Termin verschoben, sodass die Operation schließlich am 30. März 2022 stattfand. Genau zwischen Vorabiklausuren und Abiturprüfungen…

Im Vorgespräch wurde ich aufgeklärt über mögliche Verläufe der Laparoskopie. Ich stimmte auch einem Bauchschnitt sowie Blasenkatheter und künstlichem Darmausgang zu, sollte etwas hiervon nötig sein, weil ja ein Befall von Blase und Darm vermutet wurde. 

Am Vortag der Operation musste ich um 16 Uhr abführen, von da an nüchtern bleiben und ab 24 Uhr durfte ich auch nichts mehr trinken. Bereits um 6:15 Uhr wurde ich auf der gynäkologischen Station der Uniklinik Münster aufgenommen. Ich kam in ein Zweitbettzimmer mit einer super lieben Nachbarin. Sie war nur ein paar Jahre älter als ich und hatte gerade durch ihre ebenfalls erste Operation die Diagnose Endometriose bekommen, sodass wir uns auf Anhieb gut verstanden und über unsere Erfahrungen austauschten. Während meine Mitschüler*innen also in der Schule für das Vorabi lernten, saß ich früh morgens in einem 100 Kilometer entfernten Krankenhaus und unterhielt mich mit einer völlig Fremden über gynäkologische Untersuchungen, Blasenkatheter und Kinderwünsche. Meine Zimmernachbarin half mir beim Anziehen des OP-Hemds, gab mir Tipps und konnte mir ein Stück weit meine Angst vor der Operation nehmen. 

So richtig nervös wurde ich erst, als ich vom Patiententransportdienst abgeholt und in meinem Bett gefühlt kilometerweit durch das Krankenhaus geschoben wurde, bis wir schließlich im Wartesaal vor der OP-Schleuse ankamen. Eine knappe Stunde dauerte es noch, bis ich mich selbst von meinem Bett auf die Liege umlegen durfte und dort festgeschnallt wurde – ein sehr unangenehmes Gefühl. Um etwa 9:45 Uhr ging es dann zur Anästhesie. Mir wurde ein Zugang gelegt und ich musste noch schnell etwas unterschreiben, dass mich auch ein anderer Narkosearzt als eigentlich geplant behandeln durfte, was mir in dem Moment allerdings völlig egal war, solange meine Bauchspiegelung nun endlich stattfinden würde. 

Geplant waren zwei Stunden für die Operation und nochmal zwei Stunden zum Aufwachen. Nach 1,5 Stunden im OP-Saal und einer knappen Stunde im Aufwachraum war ich aber bereits hellwach und wurde gegen 12:30 Uhr zurück auf mein Zimmer gebracht. Meine Bettnachbarin war in der Zwischenzeit leider entlassen worden. Schmerzen hatte ich aber zum Glück kaum und ich war einfach nur glücklich, es hinter mir zu haben. Mein Bauch fühlte sich riesig an und spannte. Ich war müde und schlapp, aber ich musste dringend auf Toilette und sollte auch so schnell wie möglich mobilisiert werden. 

Allein das Aufsetzen im Bett brachte mich ans Ende meiner Kräfte. Beim Aufstehen mit Hilfe einer Pflegerin wurde mir schwarz vor Augen, sodass ich mich wieder hinlegen musste. Weil ich nach wie vor auf Toilette musste, klingelte ich etwa eine Stunde später erneut nach einer Schwester und startete den zweiten Versuch. An ihrem Arm schaffte ich es bis zur Toilette. Aber „es lief nicht“, also bat ich sie, vor der Tür zu warten. Es klappte und auch mit Drainagebeutel und Infusionsflasche in der Hand schaffte ich es, alleine wieder aufzustehen … zumindest für etwa zwei Sekunden, denn das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, wie man mir Wasser über den Kopf schüttet.

Ich war ohnmächtig geworden und rückwärts in die gegenüberliegende Dusche gefallen. Sämtliche Schwestern und Ärztinnen der Station standen um mich herum, weckten mich mit kaltem Wasser und hörten mein Herz ab. Beim Versuch, mich zurück ins Bett zu bringen, riss mir durch das Gewicht der Infusionsflasche fast der Zugang aus der Hand und ich war kurz davor, erneut in Ohnmacht zu fallen. Mit hochgelagerten Beinen bekam ich Glucose angehangen und das OP-Hemd gewechselt und schlief kurz danach vor Erschöpfung ein. Nach dem Abendessen musste ich wieder auf Toilette. Ich traute mich aber nicht mehr, also bekam ich eine Bettpfanne. Spätestens in diesem Moment habe ich wohl jegliches Schamgefühl verloren. 

Erst am nächsten Abend schaffte ich mit Hilfe den Weg zur Toilette, weshalb ich auch drei statt nur zwei Nächte im Krankenhaus bleiben musste. Die Narkose hatte mich einfach zu sehr umgehauen. Etwa 48 Stunden nach der Operation konnte ich endlich am Arm einer Pflegerin eine kleine Runde über den Stationsflur laufen. Kurz darauf schaffte ich es auch ohne Hilfe auf Toilette. 

Einen weiteren Schockmoment erlebte ich, als ich am Morgen nach der Operation aufwachte. Die Naht am Bauchnabel hatte sich teilweise geöffnet, sodass das Blut in Strömen über meinen Bauch lief und sowohl mein OP-Hemd als auch das Handtuch unter meiner Decke durchtränkte. Mit einem Druckverband konnte die Blutung gestillt werden und die Wunde verheilte glücklicherweise ohne erneutes Nähen. 

Am vierten Tag wurde ich dann entlassen. Mit vier Löchern im Bauch und der Diagnose Endometriose, völlig erschöpft, aber froh über meine Entscheidung. 

Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? Wo sitzt oder saß sie? 

Meine Endometriose ist vom Grad 2 der rASRM-Skala. Sie wurde im Iliosakralbereich sowie an der Beckenwand jeweils beidseits gefunden und vollständig entfernt. Es handelte sich bei mir „nur“ um Verwachsungen und nicht um aktive Herde. Auch die Zyste am Eierstock war keine der typischen Schokoladenzysten. Der Verdacht auf Adenomyose besteht immer noch, aber meine Gebärmutter wurde während der Operation nicht weiter untersucht. 

Die erste Ärztin, die nach der Operation zu mir kam, sagte mir, es wäre keine Endometriose gefunden worden, was für mich erstmal ein Schock war. Hatte ich mir umsonst im Bauch rumschneiden lassen? Lag ich mit meiner Vermutung völlig daneben oder bildete mir meine Schmerzen sogar nur ein? Kurz darauf erklärte mir aber Gott sei Dank der Arzt, der mich operiert hatte, meinen Befund genauer. Die Zweifel am Endometrioseverdacht rührten daher, dass die entnommenen Gewebeproben so klein waren, dass sie in sich zusammengefallen waren und daher im Labor nicht als Endometriose identifiziert werden konnten. Wegen meiner Beschwerden, die auch durch die Pille nicht verschwinden, und durch intraoperative Befunde ist meine Endometriosediagnose aber dennoch eindeutig. 

Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um? 

Nach der Operation habe ich die „Maxim“ im Langzeitzyklus genommen. Zufrieden war ich damit allerdings nicht zu 100 Prozent, denn meine Schmerzen wurden wieder schlimmer und die Zahl der Tage, an denen ich Schmerztabletten gebraucht habe, nahm zu. Ab und zu bekam ich Schmierblutungen und durch die erhöhte Hormondosis sind meine Brüste noch mehr gewachsen. Jetzt hat mir meine Frauenärztin die Visanne verschrieben, die ich erst seit kurzem nehme, aber mit der ich bisher zufrieden bin. 

Neben den Hormonen versuche ich auch, alle möglichen Tipps, die man für Endometriosepatientinnen in Büchern oder im Internet so findet, zu befolgen. Ich ernähre mich laktosefrei, glutenarm und nach Möglichkeit auch vegan und histaminarm. Soweit es meine Schmerzen zulassen, mache ich viel Sport. Meine Blutwerte werden regelmäßig kontrolliert und mit Nahrungsergänzungsmitteln „aufgebessert“. 

Durch die Narkose bin ich auch jetzt (fünf Monate später) noch sehr erschöpft und schlapp. Ich schlafe bis zu 14 Stunden am Tag und bekomme regelmäßig Infusionen gegen die Müdigkeit. Manchmal fallen mir selbst beim Essen fast die Augen zu oder ich schaffe es einfach nicht mehr, mein Wasserglas hochzuheben. 

Für mich persönlich stellt die Endometriose aber auch eine psychische Belastung dar. Mit meinen gerade einmal 18 Jahren mache ich mir viele Gedanken. Über Fruchtbarkeit und Kinderwunsch, über Schmerzmittel und Hormone, über Ohnmachtsanfälle, Organschäden und Wechseljahre. 

Oft liege ich samstagabends mit Wärmflasche im Bett, statt feiern zu gehen. Und nicht selten kommt mir dabei der Gedanke, was ich eigentlich verpasse. Wie soll es in den nächsten 30 Jahren bis zur Menopause weitergehen? Welche Behandlungen und Operationen kommen noch auf mich zu? Werde ich überhaupt Kinder bekommen können? 

So froh ich über die frühe Diagnose als Erklärung für meine Beschwerden auch bin, so sehr machen mir die möglichen Folgen der Erkrankung zu schaffen. 

Wie geht dein Umfeld mit deiner Endometriose um? 

Meine Familie hat mich glücklicherweise von Beginn der Symptome an super unterstützt, war verständnisvoll, hilfsbereit und auch interessiert. Als ich im Krankenhaus lag, ist meine Mutter jeden Tag jeweils 100 Kilometer hin und zurück gefahren, um mich zu besuchen. Und sogar meine Tante, die weiter weg wohnt, kam als Unterstützung zu Besuch. 

Leider war mein OP-Termin kurz vor den Abiprüfungen, sodass ich meine letzten Schultage inklusive Mottowoche verpasst habe. Auch im Vorfeld habe ich viele Geburtstage und Feiern absagen müssen, um mich nicht kurz vor der Operation mit Corona zu infizieren. Oder einfach, weil ich starke Schmerzen hatte. Die Erkrankung erschwert es mir also definitiv, soziale Beziehungen zu pflegen. 

Was würdest du jemandem mitgeben, der kurz vor seiner Operation steht oder frisch diagnostiziert wurde? 

Ich wünschte, ich könnte allen Betroffenen, die das hier lesen, tolle und hilfreiche Ratschläge geben, wie man mit der Endometriose gut umgehen kann, aber das weiß ich leider selbst nicht. Sie stellt mich immer wieder vor große Herausforderungen und bereitet mir Situationen, in denen ich nicht weiter weiß. Aber wahrscheinlich ist das auch ganz normal und man muss sich erst daran gewöhnen, mit der neuen „Begleiterin“ zu leben. 

Mir persönlich hilft der offene Umgang mit der Erkrankung im sozialen Umfeld, der Austausch in der Endo-Community auf Instagram und das Lesen von Artikeln und Büchern. Ich habe das Gefühl, je mehr ich über meine Krankheit weiß, desto weniger Angst macht sie mir. 

Einen nützlichen Tipp habe ich aber doch: Packt nicht zu viele Hosen und Unterhosen für die Zeit im Krankenhaus nach der OP ein. Ein langes T-Shirt reicht locker aus und die sexy Netzschlüpper dort sind super bequem. 😉 

Was möchtest du noch gerne einfach mal loswerden? 

Endometriose ist eine echt beschissene Krankheit. Aber ich bin immer wieder vom Zusammenhalt der Betroffenen besonders in den sozialen Netzwerken begeistert. Gegenseitige Unterstützung ist so wichtig und hilfreich und mit deinem Blog hast du, liebe Lea, einen tollen Grundstein dafür gelegt! 

Danke Leonie!

Liebe Leonie, vielen vielen Dank für das so offene und ehrliche Teilen deiner Geschichte hier auf meinem Blog. Damit gibst du dieser Krankheit ein weiteres Gesicht und trägst zur weiteren Aufklärung darüber bei.

Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!

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