Katrins Endometriose Geschichte

Katrins Endometriose Geschichte

„Die Schwester der Gyn-Station meinte zum Abschluss, ich solle doch froh sein, dass ich keinen Krebs hätte. So reihten sich Aussagen, die ich heute als Medical Gaslightning bezeichne, aneinander…“

Stell dich doch vorab einmal kurz vor!

Hallo, ich bin Katrin Härtel und habe meine Endometriose-Diagnose 2010 im Alter von 40 Jahren bekommen. 

Dankbar bin ich, dass ich Mutter von drei Kindern werden durfte, sie und mein Mann bereichern mein Leben sehr. Mein Lebensmittelpunkt befindet sich in der Region Hannover.  

Seit 2022 führe ich das Instagram-Profil @mein_weg_mit_endo. Auf dieser Seite möchte ich mein Wissen, dass ich in den vielen Jahren der Krankheit angesammelt habe, mit anderen Betroffenen teilen. Denn oft hat mich das Suchen nach Antworten auf all meine Fragen sehr viel Kraft gekostet. 

Welche Symptome hast du?

Bereist als junges Mädchen hatte ich große Probleme mit sehr starken, sehr schmerzhaften Perioden. Das Thema war bei uns zu Hause ein Tabu, ich konnte mit niemandem darüber sprechen. Als ich Anfang 20 war, habe ich mich das erste Mal einer Ärztin anvertraut. Die Antwort hat mich so abgeschreckt, dass ich noch mehr Angst hatte, über mein Erleben zu berichten. Dank der Pille war meine Regel mehr oder weniger im Griff und ich habe mich mit der Situation arrangiert. 

Rund um meinen 30. Geburtstag durfte ich drei Kinder bekommen. Jedes Mal wurde ich schnell und unkompliziert schwanger. In den Stillzeiten ging es mir immer sehr gut. Allerdings wurde ich nach jeder Geburt recht krank. Die Gebärmutter wollte sich nicht richtig zurückbilden, ich bekam Fieber und war äußerst kraftlos. 

Nach den Geburten wollte ich auch nicht mehr zur Pille zurückkehren, psychisch ging es mir ohne Pille deutlich besser. Sieben Jahre nach der letzten Geburt war ich sportlich ziemlich aktiv, Ich lief Halbmarathon und hatte große Ziele. Von jetzt auf gleich bekam ich nach einem Volkslauf über fünf Kilometer Schmerzen, wie ich sie unter den Geburten erlebt hatte. Diese Schmerzen haben mich bis heute nicht mehr verlassen. 

Damit begann ein Marathon von Untersuchungen, Mutmaßungen, Krankenhausaufenthalten und Operationen. Ich aß kaum noch was und war oft sehr verzweifelt. Irgendwie schafften wir es, den Alltag  mit drei noch recht kleinen Kindern ohne große Unterstützung zu meistern. 

Wann und wie wurde deine Endometriose dann diagnostiziert? Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? Wo sitzt oder saß sie?

Die erste Bauchspiegelung erfolgte einige Wochen nach diesem Volkslauf in einem kleinen Krankenhaus. Sie guckten kurz in meinen Bauch, haben nicht sofort etwas Auffälliges feststellen können. Also beendeten sie die Operation und verlegten mich ins Bauchzentrum. Da das Personal in diesem Krankenhaus nicht weiterwusste, entließ ich mich selber und bat um Aufnahme in die MHH.

Dort landete ich wieder im Bauchzentrum und hatte das Glück, auf einen großartigen, jungen Arzt zu treffen. Dieser Arzt war meine Rettung. Zehn Tage lang stellte er mich von oben bis unten auf den Kopf und war sich sehr früh sehr sicher, dass die Gynäkologie zuständig wäre. Die Gynäkologen in der MHH weigerten sich allerdings, mich zu behandeln oder gar zu operieren. Es hatte doch erst vor wenigen Wochen eine Bauchspiegelung stattgefunden. Doch der junge Arzt ließ nicht locker. Er organisierte ein MRT und wieder sollte ich Glück haben. Die Radiologin erkannte im Bereich der Gebärmutter Strukturen, wie sie nicht sein sollten. 

So wurde ich tatsächlich auf die Gynäkologie verlegt und schon am nächsten Tag operiert. Am Abend kam der Operateur zu mir ans Bett, sichtlich betroffen sagte er: „Ich weiß gar nicht, was ich Ihnen sagen soll, aber sie haben ausgeprägte Endometriose. Wir haben getan, was uns gerade möglich war, aber ich befürchte, dass wir nicht alle Herde erwischt haben.“

Zur Ehrenrettung sollte erwähnt sein, dass die MHH zu der Zeit noch kein zertifiziertes Endometriose Zentrum waren. 

Wir (mein Mann und ich) waren glücklich, endlich eine Diagnose zu haben, und zuversichtlich, dass nun alles besser werden würde. Ich begann, die Visanne einzunehmen und mich mit dem Thema Endometriose zu beschäftigen. Schon ein halbes Jahr später lag ich wieder im OP, diesmal ließ ich mir im Endometriose Zentrum in Westerstede während einer Sanierung die Gebärmutter entfernen. Tatsächlich wurde ich gefragt, ob mein Mann der Operation zustimmen würde. 

Die Hysterektomie konnte angeblich nicht per Bauchpiegelung ausgeführt werden, der Bauchschnitt entspricht einer Kaiserschnittnarbe. Diese OP sorgte später bei sehr erfahrenen Ärzten zu Aussagen wie: „Wer hat Ihnen denn das angetan?“ Bis heute habe ich mit den Folgen dieser Operation sehr zu tun. 

Wie ging es dann weiter?

Zum ersten Mal fuhr ich zur AHB, es ging nach Bad Salzuflen. Dort traf ich auf Leidensgenossinnen und ich war glücklich über den Austausch. Wir haben viel gelacht und waren eine nette Truppe. Seit dieser Reha bekomme ich regelmäßig Physiotherapie, wobei ich besonders die Bindegewebsmassagen als hilfreich empfinde. 

Es ging mir jedoch weiter nicht wirklich gut, aber ich hielt durch. Die Hysterektomie war die richtige Entscheidung: Wie ich später erfuhr, hatte ich auch Adenomyose. Jetzt konnte zumindest die Gebärmutter keine Schmerzen mehr verursachen. Der Arzt sagte mir nach der Operation, sie hätten auch Endometriose am Zwerchfell entdeckt, hätten diese aber nicht operiert. Bis heute kann ich nicht sagen, warum sie die Herde nicht entfernt haben. 

2013 trat ich eine Reha in Bad Schmiedeberg an. Um diese Reha musste ich kämpfen, dazu war es nicht einfach, die Zusage für die Übernahme der Kinderbetreuung zu bekommen. Als ich in der Klinik ankam, war ich sehr erschöpft und psychisch etwas angeschlagen. 

Die Moorbehandlungen taten mir sehr gut, auch die Physiotherapie war hilfreich. Das Essen war speziell auf die Endometriose-Patientinnen ausgerichtet und sehr verträglich. Ansonsten war die Reha alles andere als hilfreich. Die Psychologin wollte mir erklären, dass auch andere Menschen Schmerzen haben und dass alle Menschen im Leben kämpfen müssen. Ich weigerte mich danach, noch mal mit ihr zu reden. Die Schwester der Gyn-Station meinte zum Abschluss, ich solle doch froh sein, dass ich keinen Krebs hätte. So reihten sich Aussagen, die ich heute als Medical Gaslightning bezeichne, aneinander. 

Ich fuhr nach der Reha nach Hause und fiel in ein tiefes psychisches Loch. In dieser Phase des Lebens hatte ich Suizidgedanken und kann sagen, dass mein Mann und meine Kinder mich am Leben erhalten haben. Sie waren mein Grund, um weiterzuleben und täglich zu kämpfen. 

Mein damaliger Schmerzarzt erkannte meine Not und vermittelte mir von jetzt auf gleich eine psychologische Begleitung. Diese Therapeutin war unglaublich. Sie hatte viel Erfahrung mit Schmerzpatientinnen und hat mir geholfen, den Weg weiter zu gestalten. 

Meine Freundin Daniela (sie hatte ich in der ersten Reha kennen gelernt) überzeugte mich, mit ihr zusammen nach Österreich zu Professor Keckstein zu fahren. Er war seinerzeit einer der wenigen Koryphäen auf diesem Gebiet im deutschsprachigen Raum. 

Herr Keckstein zeigte sich als sehr einfühlsam und verständnisvoll. Er fragte viele Fragen und mir wurde bewusst, dass dies noch kein Mensch vor ihm getan hatte. Anfang 2014 führte er in Villach die vierte Operation durch. Sowohl die Operation als auch der Krankenhausaufenthalt waren unfassbar gut und hilfreich.

Zum ersten Mal erhielt ich einen Film von der Operation und konnte mir angucken, was diese Schmerzen verursacht. Es waren viele kleine Herde und diese waren oft auch nicht pigmentiert. Dieser erfahrene Arzt sagte nach der Operation, dass er so einen Befund auch noch nie gesehen hätte. Die Herde gingen hoch bis zum Zwerchfell und waren über den ganzen Bauchraum verstreut. Tief infiltrierte Endometriose, überall. Das schmerzt. Offensichtlich war bei keiner der vorigen Operationen sorgfältig geguckt worden und offensichtlich wurde ich nicht mit ausreichender Erfahrung behandelt. 

Nach dieser Operation ging es mir deutlich besser. Das hielt eine Weile und dann ging es langsam, aber sicher wieder bergab. 2018 war die nächste Operation in Planung, als Professor Keckstein selbst erkrankte und die Operation abgesagt werden musste. 

Durch Zufall sah ich einen Fernsehbericht über die „Klinik für Naturheilverfahren und integrative Medizin“ In Essen. Dort erfolgte eine 14-tägige Schmerztherapie. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich gefastet, ich erhielt Lidocain- Infusionen, Wickel, Akupunktur und machte Yoga. Dieser Aufenthalt hat mich deutlich nach vorne gebracht und die Operation wurde komplett abgesagt. 

Schmerzfrei war ich nie, aber ich war in einem Status, den ich für mich akzeptieren konnte. 

2019 fingen im Herbst von jetzt auf gleich meine Beine an, weh zu tun. Erst waren es nur temporär Schmerzen, sie kamen und gingen. Mir war es immer noch möglich, spazieren zu gehen und kleine Läufe zu machen. Zum ersten Mal nach neun Jahren setzte ich die Visanne ab und probierte ein österreichisches Produkt. Mit meiner Schmerzärztin probierte ich verschiedene Medikamente. In der Summe würde ich sagen, es gibt kaum ein Schmerzmittel, dass ich nicht eine zeitlang genommen habe. 

Die Pandemie brach aus und mein Arzt in Österreich war für mich nur noch telefonisch erreichbar, dabei wäre eine Untersuchung so dringend nötig gewesen. 

Im Herbst 2020 war es wieder einmal so weit: Von jetzt auf gleich explodierten die Schmerzen. Jeder Schritt ist seither so unsäglich schmerzhaft. Ich vermeide Wege, wo es nur geht. Mit Tränen in den Augen denke ich an die Zeiten zurück, als ich Kilometer um Kilometer gelaufen bin. Ein Neurologe hat mir nicht helfen können und sagte: „Ich könnte ihnen einen Rollator verschreiben, aber sonst kann ich nichts für Sie tun.“ Auf den Rollator habe ich verzichtet. Ich lebe quasi in einer Symbiose mit meinem Fahrrad. 

Mein Gynäkologe spritzte mich in die künstlichen Wechseljahre, 14 Monate lang. Dies reduzierte die Schmerzen zunächst ein wenig. Als wir die Spritze absetzten, war aber kaum was an Änderung zu spüren. 

2021 führte die Endometriose Vereinigung online Veranstaltungen durch. In einer ging es um das Thema Neurostimulator. Die Neurochirurgin sagte: „Wir haben Patientinnen, die können danach sogar wieder arbeiten.“ Zu diesem Zeitpunkt war ich schon monatelang krankgeschrieben und ziemlich hoffnungs- und perspektivlos. 

Natürlich reiste ich nach Gießen, um mich dort vorzustellen. Der Professor in Gießen sah keine Veranlassung, mich zu operieren. Die Neurochirurgin schlug vor, eine Rückenmarkstimulation zu implantieren. Heute kann ich sagen, dass es Glück war, dass die Kommunikation mit dem Krankenhaus mehr als dürftig war. Schnell verlor ich das Vertrauen und wollte dort die Implantation nicht durchführen lassen. 

Nach intensiver Recherche fand ich heraus, dass es unterschiedliche Systeme verschiedener Hersteller gibt. Über Instagram traf ich auf eine Frau, die eine Stimulation eines anderen Herstellers erhalten hatte. Sie verhalf mir zu einem Neurochirurgen in der Nähe von Frankfurt, bei dem ich auch sehr kurzfristig einen Termin bekam. Dieser Arzt ist ein sehr empathischer und unterstützender Mensch. Er versucht, alles möglich zu machen, und war zuversichtlich, mir helfen zu können. 

Im Juni 2021 erhielt ich den Schmerzschrittmacher und er ist eine große Hilfe. Zunächst konnte ich ALLE Schmerzmittel absetzen und endlich wieder in Bewegung kommen. Im Herbst 2021 konnte ich einige Kilometer gehen und war einfach nur glücklich. 

Es folgte eine Reha (in der Summe die fünfte) in Bad Schwartau und der Versuch, wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Leider war mein Arbeitgeber herausfordernd und hat mir das Leben ziemlich schwer gemacht. Zum Glück fand ich schnell einen neuen Arbeitsplatz und konnte einen Neustart wagen. Die berufliche Situation war schon lange nicht gut gewesen und ich bin sicher, dass diese Tatsache für meine Gesundheit nicht förderlich war. 

Mein neuer Chef war zögerlich, mich einzustellen. Er war in Sorge, dass ich zu viel ausfalle. Das macht mir sehr zu schaffen, denn es baut ziemlichen Druck auf. 

Es kam wieder einmal recht unerfreulich: Die Schmerzen wurden wieder stärker – eine Corona-Infektion hat diesen Prozess noch einmal beschleunigt. 

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2023 und ich schreibe diesen Text auf der Rückreise von einem Termin im Krankenhaus. In Kürze soll die nächste Operation stattfinden. Der Arzt wird gucken, wo die Ursache für diese extremen Schmerzen liegen kann. Ich hoffe sehr auf eine gewisse Erlösung. Aktuell habe ich die Rückenmarkstimulation, nehme THC und bei Bedarf (eigentlich täglich) ergänze ich das Ganze mit Novalgin. 

Wie geht es dir jetzt?

In der letzten Woche wurde ich das fünfte Mal im Bauch operiert. Statt geplanter 90 Minuten hat diese Operation vier Stunden gedauert und war sehr herausfordernd und umfassend. Die Schmerzstellen konnte ich im Vorfeld detailliert benennen. Erschreckend ist, dass diese Stellen nur wenige Wochen nach der vierten Operation anfingen, zu schmerzen. Jahrelang habe ich Hormone genommen und die Krankheit hat weiter in mir „gewütet“. Die Belastung durch die Hormone hätte ich mir sparen können. 

Nun hoffe ich, dass es vielleicht doch noch einmal besser wird. 2014 wurden die Stellen gelasert, nun durch Excision entfernt. 

Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um?

Bis heute bin ich damit beschäftigt, die Erkrankung zu akzeptieren und einen Umgang damit zu finden. Lange war es sehr schwer, besonders den Kindern gegenüber, einen Weg zu finden, wie wir über das Thema reden. Mittlerweile sind unsere drei Kinder schon junge Erwachsene und ich schaffe es, immer offener zu werden. Die Krankheit soll nicht für das ganze Familienleben im Fokus stehen. Es gibt keine Beratung für Eltern in dieser Situation. 

Mein Mann ist meine größte Stütze. Wir gehen gemeinsam durch gute und schlechte Zeiten. Dafür bin ich sehr dankbar. Den Kontakt zu meiner Ursprungsfamilie habe ich abgebrochen, dort wurde meine Erkrankung nie ernst genommen. Ich bin halt trotzdem immer fröhlich, aber das ist für sie bei einer chronischen Erkrankung nicht erlaubt. 

Was würdest du jemandem mitgeben, der kurz vor seiner Operation steht oder frisch diagnostiziert wurde?

Auf meinem Instagram-Profil versuche ich all meine Wissen zu teilen. Hier jetzt einzelne Tipps zu nennen, würde vielleicht doch den Rahmen sprengen.

Was möchtest du noch gerne einfach mal loswerden?

Vielen Dank für die Möglichkeit, auf deinem Blog meine Geschichte zu teilen. Wir sollten lauter und öffentlicher werden. Viel zu viele Jahre habe ich einfach still gelitten und viel zu oft auch getan, als wenn alles gut wäre. 

Mein Traum ist es, noch einmal einen Fünf-Kilometer-Volkslauf zu schaffen und eine schöne Wanderung zu machen. 

Danke Katrin!

Vielen vielen Dank, liebe Katrin, dass du hier so offen und ehrlich von deinem langen Weg mit der Endometriose erzählt hast. Damit gibst du dieser Krankheit ein weiteres Gesicht und leistet einen weiteren Beitrag zur Aufklärung darüber. Danke!

Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!

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