Schon Ewigkeiten hat es keinen Blogbeitrag mehr hier gegeben und dafür möchte ich mich bei euch entschuldigen. Es ist in unserem Umzugschaos einfach so viel liegengeblieben… aber jetzt geht es endlich weiter mit einer neuen Endometriose Geschichte! Heute erzählt uns nämlich die liebe Julia von ihren Erfahrungen und ihrem doch sehr langen Weg bis zu Diagnose.
Ganz kurz vorweg: Wer bist du eigentlich?
Hi! Ich heiße Julia, bin 21 Jahre alt und wohne gemeinsam mit meinem Freund in der wunderschönen Stadt Leipzig. Seit 2017 studiere ich Gymnasiallehramt für die Fächer Englisch, Ethik und Philosophie.
Die Diagnose Endometriose bekam ich im November 2020. Allerdings haben mich zu diesem Zeitpunkt die Schmerzen schon elf Jahre lang begleitet. Wie man sich vorstellen kann, war der Weg bis zur Diagnose sehr emotional und oftmals nicht leicht.
Nun zu deiner Endometriose Geschichte: Welche Symptome hattest du?
Im Juli 2009 bekam ich zum ersten Mal meine Periode. Damals war ich gerade zehn geworden. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern. Es war in den Sommerferien von der vierten zur fünften Klasse, als ich noch vor dem Beginn meiner ersten Blutung sehr starke Bauchschmerzen bekam. Diese sollten mich von jenem Moment an jeden Monat begleiten.
Oft konnte ich nicht zur Schule gehen, weil ich kaum aufrecht stehen konnte. Die Schmerzen und meine Blutungen waren so stark, dass ich manchmal in Ohnmacht fiel. Meine Kinderärztin schickte mich damals nicht nur einmal mit Schmerzmitteln und der unglaublich empathischen Aussage „Das ist normal – du bist jetzt eben eine Frau, Julia“ wieder nach Hause. Mit dreizehn war ich zum ersten Mal bei meiner Frauenärztin. Ich bekam Schmerzmittel, natürlich. Und – Überraschung – die Pille.
Mein Zyklus wurde dank der Pille sehr regelmäßig. Das war der einzige Vorteil: Ich konnte nun die Uhr danach stellen, wann meine Schmerzen beginnen würden. Jahr für Jahr verschrieb die Ärztin mir ein neues Präparat. In der Hoffnung, dass ich irgendwann keine Schmerzen mehr spüren würde. Ich hatte damals schon ständig Blasenentzündungen und musste alle 45 bis 90 Minuten Wasser lassen, was in der Schule oft auch für Unverständnis seitens meiner Lehrer*innen sorgte.
Als ich 2018 die Pille abgesetzt hatte und mir stattdessen einen Verhütungsring verschreiben ließ, wurden meine Schmerzen noch viel stärker als zuvor und es kamen immer mehr Beschwerden hinzu. Ich hatte fast täglich Durchfall und war plötzlich nach den kleinsten Aktivitäten unheimlich erschöpft. Doch was mich schließlich am meisten belastete, waren die Schmerzen während und nach dem Geschlechtsverkehr, die mich oft an mir selbst zweifeln ließen und dadurch auch unsere Partnerschaft belasteten. Ich stellte mir immer wieder die Frage: „Was stimmt nicht mit mir?“
Wann und wie wurde deine Endometriose dann diagnostiziert?
Im September 2020 hörte ich zum ersten Mal das Wort „Endometriose“. Nicht aber bei einem meiner unzähligen Frauenarztbesuche. Nein (das wäre ja zu schön gewesen), sondern von einer Youtuberin, die über ihre Eileiterschwangerschaft und ihre Diagnose Endometriose sprach. Die Symptome, die ich bei meiner Recherche zum ersten Mal las, kamen mir leider sehr bekannt vor. Gleichzeitig verspürte ich plötzlich aber auch eine gewisse Art der Erleichterung – darüber, scheinbar nicht mit meinen Schmerzen und Problemen allein zu sein.
Kurz danach habe ich mir ein Herz gefasst und bei meiner Frauenärztin meine Gedanken zum Thema Endometriose geäußert, nachdem ich mich nun einige Zeit selbst damit befasst hatte. Ich weiß noch, wie aufgeregt ich an dem Tag war. Wenn ich heute an ihre Reaktion zurückdenke, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Meine Ärztin rutschte unruhig auf ihrem Stuhl umher und an ihre Worte erinnere ich mich noch ganz genau: „Nun, wo Sie das sagen … darauf hätte ich auch selbst kommen können.“ Sie überwies mich direkt an ein Endometriose-Zentrum in Leipzig, welches leider nicht zertifiziert war, aber dennoch, soweit ich das bei meiner Recherche hatte einschätzen können, einen guten Ruf haben sollte. Vier Wochen später bekam ich einen Termin.
In der Endometriose-Sprechstunde in dem Klinikum fühlte ich mich zum ersten Mal wirklich ernst genommen. Die Ärztin war unglaublich freundlich und empathisch. Sie hörte mir zu, als ich von all meinen Beschwerden berichtete, und schickte mich nicht, wie all meine vorherigen Ärzt*innen, mit gut gemeinten Worten und Schmerzmitteln nach Hause, sondern sie unterhielt sich mit mir auf Augenhöhe. Sie glaubte mir und untersuchte mich eingehend. Das war für mich so ein prägendes Erlebnis, dass ich nach dem Termin erst einmal vor Erleichterung weinen musste.
Fünf Wochen später wurde ich operiert. Die Ärztinnen führten eine Bauchspiegelung, eine Gebärmutterspiegelung und eine Blasenspiegelung durch, und die Durchlässigkeit meiner Eileiter wurde geprüft. Die operierende Ärztin stand noch am gleichen Tag um 20 Uhr an meinem Krankenhausbett, um mir die Diagnose mitzuteilen. „Wir haben tatsächlich Endometriose gefunden.“ Als ich diese Worte hörte, noch völlig benebelt von der Narkose, begann ich sofort zu weinen. In mir waren so viele Emotionen – die Erleichterung, mir die Schmerzen nie eingebildet zu haben, und die Angst vor all dem, was noch auf mich zukommen würde.
Wie oft wurdest du schon operiert und wie war das?
Bisher wurde ich einmal operiert. Freitagnachmittag fand meine Bauchspiegelung statt und Sonntagmittag wurde ich entlassen, da ich nach der OP recht viel Blut verloren hatte und mein Kreislauf sehr schwach gewesen war. Ich muss tatsächlich sagen, dass ich sehr froh war, für diesen Zeitraum im Krankenhaus gewesen zu sein und überwacht zu werden, weil es mir in den ersten Nächten wirklich schlecht ging. Und doch war das Gefühl unbeschreiblich schön, am Sonntag endlich wieder in meiner Wohnung zu sein und in meinem eigenen Bett schlafen zu können!
Aufgrund der Corona-Situation musste ich allein ins Krankenhaus und durfte zu keinem Zeitpunkt Besuch bekommen. Das hatte ich mir vor meiner Zeit im Krankenhaus unfassbar schlimm vorgestellt. Jedoch war das dann schließlich dank meiner wundervollen Zimmernachbarin gar kein Problem mehr gewesen. Mit ihr hatte ich die lustigsten und intimsten Gespräche, die man nur haben kann, wenn man sich halbnackt und high von Schmerzmitteln ein Zimmer teilt.
Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? Wo sitzt oder saß sie?
Die Oberärztin zeigte mir am Tag der Entlassung die Bilder der Operation und erklärte mir, wie sie vorgegangen war und was ihr aufgefallen sei. Das mag nicht für jeden etwas sein, aber ich war dankbar, mal selbst sehen zu dürfen, wie es in mir aussieht – da schlug mein Grey’s-Anatomy-Herz höher, wenn ich einen Moment lang mal nicht daran dachte, dass es meine Organe waren, die ich da auf dem Bildschirm sah.
Die Diagnose: Endometriose Grad III. Bei der Blasenspiegelung und der Gebärmutterspiegelung war zum Glück alles im Normalbereich gewesen. Bei der Bauchspiegelung hingegen waren ausgeprägte Endometrioseherde auf meiner Blase sowie Verwachsungen des Darms und des Beckens auffällig gewesen. Leider wurde festgestellt, dass mein rechter Eileiter entzündet, völlig verklebt und somit nicht mehr durchlässig war. Das war für mich persönlich der größte Schock, den ich auch erst einmal verdauen musste. Der Verdacht auf Adenomyose besteht auch, konnte jedoch nicht sicher in der OP bestätigt werden.
Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um?
Aktuell befinde ich mich in einer Hormontherapie. Ich nehme jetzt auf Anraten meiner operierenden Ärztin ein Dienogest-Präparat, welches sie mir insbesondere in Hinblick auf meinen Kinderwunsch empfohlen hat. Außerdem ernähre ich mich meistens vegan und achte darauf, dass mein Essen möglichst weizen- und laktosefrei ist – das sind die größten Trigger für meine Beschwerden. Ich möchte mir aber auch nichts verbieten. Seit einigen Wochen nutze ich regelmäßig CBD-Öl, was mir wirklich gut gegen meine Schmerzen und meine innere Unruhe hilft.
Auch wenn ich von der Operation noch nicht ganz erholt bin, hilft mir Spazieren wirklich sehr, um mich zu bewegen und um meinen Kopf freizubekommen. Trotzdem muss ich erst einmal lernen, achtsamer mit meinem Körper umzugehen und auf seine Signale zu hören – wahrscheinlich bin ich schlichtweg zu ungeduldig.
Meine Endometriose-Schmerzen haben sich durch die Operation leider nicht gebessert. Ich hatte nach der Operation andauernde Schmierblutungen, eine Blasenentzündung, eine unfassbar schmerzhafte Periode und Schlafprobleme. Das war und ist für mich sehr frustrierend. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir nach der Operation eine deutliche Besserung erhofft. Aber ich versuche optimistisch zu sein und den Kopf nicht hängen zu lassen. Ich hoffe auf die Wirksamkeit der Hormontherapie.
Was mich momentan am meisten beschäftigt, ist mein Kinderwunsch. Mein Freund und ich sind seit acht Jahren zusammen und wünschen uns im Moment noch keine Kinder. Wir wissen aber, dass wir in ein paar Jahren, wenn ich mein Studium abgeschlossen habe, definitiv Kinder bekommen möchten. Das stand für uns beide schon lange fest und war unsere normale Lebensplanung. Die operierende Ärztin meinte jedoch, dass ich wahrscheinlich ohne eine Kinderwunschbehandlung nicht schwanger werden würde, und dass dies „besser früher als später“ geschehen solle. Ein komischer Gedanke mit 21, mit dem ich mich jetzt auch erst einmal auseinandersetzen muss.
Wie geht dein Umfeld mit deiner Endometriose um?
Ich bin ein sehr offener Mensch bin und kommuniziere zumindest gegenüber den wichtigsten Menschen in meinem Leben immer klar, wie es mir geht. Daher wissen meine Familie, mein Freund und auch meine Freundinnen schon lange, dass es bei mir eben gute und schlechte Tage gibt. Als ich schließlich die Diagnose bekam, waren alle sehr verständnisvoll und haben sich informiert, worüber ich so dankbar bin.
Da ich die meiste Zeit meines Alltages mit meinem Freund verbringe, bekommt er am meisten mit, wie schlecht es mir an manchen Tagen wirklich geht. Er ist die größte Unterstützung, die ich mir nur wünschen könnte. Er hält meine fiesen Stimmungsschwankungen aus, findet immer die richtigen Worte, wenn ich mal wieder meine Schmerzen wie Wehen veratmen muss, und hat unglaublich viel Verständnis, wenn wir zum Beispiel mal wieder eine Verabredung absagen müssen oder wenn ich nicht mit einkaufen gehen kann, weil ich schon wieder erschöpft im Bett liege. Keine Aufgabe ist ihm zu viel. Schon vor der Diagnose hat er meine Beschwerden ernst genommen und niemals hinterfragt.
Seit zwei Monaten bin ich mit einer lieben jungen Frau aus meiner Nähe in regelmäßigem Kontakt. Sie hat auch Endometriose und wurde im gleichen Klinikum behandelt wie ich. Deshalb hat sie mir in der letzten Zeit unfassbar viel Kraft und Mut geschenkt. Die Gespräche mit ihr helfen mir wirklich sehr, da ich mich einfach verstanden fühle und mich nicht ständig erklären muss. Auch dank Instagram habe ich ein paar wertvolle Kontakte knüpfen können. Das kann ich jeder von euch raten – vernetzt euch, sprecht miteinander. Es ist schön zu wissen, dass niemand mit seinen Problemen alleine ist. Somit kann man aus der Situation, so schwierig sie auch sein mag, das Beste machen, wundervolle neue Menschen kennenlernen und sich gegenseitig unterstützen.
Was würdest du jemandem mitgeben, der kurz vor seiner Operation steht oder frisch diagnostiziert wurde?
Informiert euch und setzt euch aktiv mit der Erkrankung auseinander. Was mir am Anfang zum Einlesen in die gesamte Thematik geholfen hat, waren die Bücher „In der Regel bin ich stark“ von Anna Wilken und „Nicht ohne meine Wärmflasche“ von Martina Liel. Auch die Internetseite von der Endometriose-Vereinigung Deutschland hat super Literaturtipps, mit denen man sich weiterbilden kann.
Ganz wichtig: Stellt euren Ärzt*innen ruhig alle Fragen, die euch in den Kopf kommen, und notiert sie euch am besten schon vor eurem Termin – ihr werdet sicherlich etwas aufgeregt sein. Informiert euch gut, wo ihr euch operieren lassen möchtet. Für die nächste Operation würde ich, auch wenn ich insgesamt zufrieden mit meinem Krankenhaus war, tatsächlich lieber in ein zertifiziertes Endometriose-Zentrum gehen wollen. Eine Übersicht mit allen zertifizierten Zentren findet ihr auch auf der Website der Endometriose-Vereinigung.
Vielleicht beruhigt es euch auch, wenn ihr euch vor der Operation eine Packliste fürs Krankenhaus schreibt, falls ihr stationär aufgenommen werdet. Manchmal kann es sein, dass man in all der Aufregung dann doch etwas vergisst. Es gibt auch schöne Inspirationen für Packlisten im Internet, an denen ihr euch orientieren könnt.
Bewegt euch nach der Operation so viel es geht. Ich bin so viel gelaufen, wie ich konnte. Natürlich langsam und gekrümmt wie eine alte Omi, aber ich hatte daher glücklicherweise kaum Probleme mit dem Gas. Gleichzeitig ist es auch unglaublich wichtig, dass ihr auf die Signale eures Körpers achtet und ganz genau in euch hinein hört, was ihr jetzt braucht. Zwingt euch zu nichts und seid geduldig, auch wenn das nicht immer leicht ist.
Was möchtest du noch gerne einfach mal loswerden?
Was meiner Meinung nach viel eindringlicher im Sexualunterricht in der Schule, in den Medien, bei Arztbesuchen und ganz allgemein in unserer Gesellschaft kommuniziert werden sollte: Regelschmerzen sind nicht normal.
Ich wünsche mir so sehr, dass diese Krankheit bekannter wird und vor allem, dass sie endlich ernst genommen wird. Es wird so viel wundervolle Aufklärungsarbeit geleistet, die viel mehr Menschen erreichen sollte. An dieser Stelle möchte ich auch dir, liebe Lea, wirklich von Herzen danken. Deine qualitativ hochwertigen Videos, Blogposts und Instagram-Beiträge haben mir unglaublich viel Zuversicht und Optimismus vor und nach meiner Diagnose geschenkt. Deine Aufklärungsarbeit ist Gold wert!
In meinem Umfeld kannte kaum jemand die Krankheit – nicht einmal ich selbst bis zwei Monate vor meiner eigenen Diagnose. Das finde ich erschreckend, wenn man bedenkt, wie viele Frauen ebenfalls unter Endometriose leiden und wie groß die Dunkelziffer vermutlich sein wird. Schon mit der Aufklärung unserer Familien, unserer Freund*innen und unserer Ärzt*innen haben wir alle unglaublich viel geleistet. Danke, an jede einzelne unter euch! Wir sind nicht allein und wir sind verdammt stark.
Danke Julia!
Erstmal vielen Dank, liebe Julia, für deine unglaublich lieben Worte an mich! Außerdem natürlich danke dafür, dass du deine Geschichte hier so offen mit uns geteilt hast. Damit hast du einen weiteren unglaublich wertvollen Teil zur Aufklärung über die Endometriose beigetragen!
Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!
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