Stell dich doch vorab einmal kurz vor!
Mein Name ist Inga. Ich bin 26 Jahre alt, Gymnastiklehrerin und studiere Soziale Arbeit.
Wann und wie wurde deine Endometriose diagnostiziert?
Im Sommer 2021 habe ich die Diagnose Endometriose als „Zufallsbefund“ erhalten. Eigentlich hätte diese Diagnose bereits 2013 gestellt werden müssen, da dort im Rahmen einer anderen Operation ein Endometrioseherd gefunden wurde. Jedoch wurde dies von niemandem ernst genommen. Selbst als ich kurz darauf gynäkologisch auffällig wurde, ist dieser Befund niemandem ins Auge gefallen. Dinge wie „blutgefüllte Zysten sind normal“ durfte ich mir anhören.
Welche Symptome hattest du?
Monatlich mussten RTW und Notarzt anrücken, weil meine Beschwerden so schlagartig und heftig waren, dass ich nicht einmal transportfähig war. Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall. Selbst, wenn man nur meinen Arm angefasst hat, habe ich schon angefangen zu heulen, da die kleinsten Bewegungen die Schmerzen verschlimmerten. Mit der Pille ging es mir dann schnell besser, sodass meine Gynäkologin erstmalig auf die Idee kam, dass es Endometriose sein könnte. Doch eine weitere Operation, um dem Verdacht nachzugehen, kam aufgrund meiner vorherigen Operationen nicht infrage, solange mein Gesundheitszustand stabil war.
Wie ging es dann weiter?
Ab circa 2018 verschlechterte sich mein Gesundheitszustand schleichend. Darmverschlüsse wurden zum festen Bestandteil meines Lebens. 2021 ging dann fast nichts mehr, da ich permanent mit den Symptomen der Darmverschlüsse zu kämpfen hatte. Permanent Bauchschmerzen, Koliken, Schwierigkeiten, auf Toilette zu gehen, Übelkeit bis hin zum Stuhlerbrechen. Aufgrund dessen entschied ich mich zu einer erneuten Operation – bei der unklar war, was genau in meinem Bauch gefunden wird. Doch an Endometriose hat kein Arzt geglaubt.
Als ich auf der Intensivstation wach wurde, erzählten mir die Ärzte, was sie gemacht haben, und dass schwerwiegende Endometriose vorliege. Sogar mein Dünndarm war befallen. Ich bat direkt um ein Gyn-Konsil. „Warum?“ Ich erklärte, dass ich gerne einen Gynäkologen sprechen möchte, da ich den Befund und das weitere Vorgehen besprechen möchte und einige Fragen habe. „Dafür sind niedergelassene Gynäkologen zuständig! Davon abgesehen ist die Endometriose entfernt und wird keine Probleme mehr machen.“
Ich wusste, dass diese Aussagen nicht stimmen, und finde es einfach nur traurig, dass selbst in einer Klinik mit Endometriosezentrum, wo der spezialisierte Gynäkologe sogar im OP hinzugezogen wurde, so fahrlässig handelt. Ich wurde mit meinem Befund einfach allein gelassen beziehungsweise am Ende sogar mit Medikamenten entlassen, die die Endometriose anfeuern können. „Sie müssen wegen der Desmoide sowieso Raloxifen nehmen. Das ist mit den Gynäkologen abgesprochen und behandelt die Endometriose mit!“ Wieder eine Aussage, die so nicht stimmte …
Und was passierte dann?
Vielleicht fragt ihr euch jetzt „Hä? Desmoide? Was ist das denn jetzt?“ Falls ihr euch das fragt, wäre das auf jeden Fall kein Wunder. Neben der Endometriose lebe ich nämlich auch mit Familiärer Adenomatöser Polyposis – kurz FAP. Das ist eine genetisch bedingte Tumorerkrankung, die vor allem den Magen-Darm-Trakt befällt und zu 100 Prozent zu Darmkrebs führt. Weiterhin ist das Risiko für andere Krebsarten auch erhöht und es zeigen sich häufig auf Desmoide. Desmoide sind seltene, gutartige Tumore, welche bei mir im Bauchraum an der Aufhängung des Dünndarms liegen. So lange die keine Organe beeinträchtigen ist alles tutti. Wenn sie wachsen, können sie jedoch Probleme machen.
Die FAP sowie mein Verlauf sind vermutlich auch mit ein Grund, weshalb niemand an Endometriose geglaubt hat. Bei meiner Operation 2013 musste mir der gesamte Dickdarm entfernt werden. Als Folge dieser Operation hatte ich unter anderem eine schwere Bauchfellentzündung und Blutvergiftung. Durch diesen Verlauf hatte ich starke Verwachsungen. Mein Darm war an diversen Stellen aneinandergewachsen, an die Bauchdecke gewachsen … Also kein Wunder, dass ich immer wieder Darmverschlüsse hatte.
Bei der Operation 2021 habe ich einen Teil meines Dünndarms verloren, meinen J-Pouch – eine Art Stuhlreservoir aus Dünndarm. Es wurde einfach ein neuer J-Pouch angelegt, was ich niemals wollte. Dieser wurde direkt an den Schließmuskel genäht und da der Schließmuskel bei der Operation gerissen ist, wurde dieser auch genäht. Ich hatte stärkste Schmerzen nach dieser Operation. Durch ärztliches Fehlverhalten und keine Schmerztherapie wünschte ich mir ein Stoma (künstlicher Darmausgang). Ich war psychisch am Ende, wurde mehrfach in kurzer Zeit traumatisiert. Es gab keinen anderen Ausweg. Am 23. Juli 2021 habe ich dann mein Stoma erhalten.
Als es mir gesundheitlich immer schlechter ging, wechselte ich die Klinik – sowohl die FAP als auch die Endometriose betreffend. Mein Schmerzzustand verschlimmerte sich rapide, sodass ich ab Mitte/Ende Januar 2022 an meine Wohnung gefesselt war, Cola und Co in mich reinkippte, um Kalorien in meinen Körper zu bekommen, und täglich Opiate nehmen musste. Im März folgte dann die vorerst letzte Operation: eine Rektumamputation. Meine Wunsch-Operation! Der neue J-Pouch wurde samt Schließmuskel entfernt und der Po zugenäht. Dabei fand dann noch eine Endometriosesanierung und Sterilisation statt.
Wie geht es dir jetzt?
Es war unklar, wie „gut“ ich aus der Operation rauskomme, da meine Schmerzen so komplex waren und sich keiner Ursache klar zuordnen ließen. Doch mein Körpergefühl hatte recht, dass der neue J-Pouch und die Anastomose das Hauptproblem sind. Seitdem geht es bergauf. Die Wunden sind zwar groß, aber die Heilung verläuft super. Ich werde immer fitter und kann selbstverständliche Dinge wie kochen oder spazieren gehen wieder machen!
Endometriose und Adenomyose machen weiterhin Probleme, im Sinne von permanenten Blutungen und Schmerzen – unter Dienogest. Aktuell bin ich somit noch am ausprobieren, unter welcher Behandlung ich am besten zurecht komme. Aufgrund der FAP ist das leider etwas schwierig, da die beiden Erkrankungen sich ausspielen und die Behandlung der einen Erkrankung teilweise kontraindiziert aufgrund der anderen Erkrankung ist …
Ich denke, das war nun ein kleiner Umriss meiner Geschichte. Bei Instagram findet ihr mich unter @dickdarmlos. Auf meinen Account schreibe ich über das Leben mit Endometriose und Adenomyose, FAP, Stoma und PTBS. Dies mache ich unter anderem, um aufzuklären, aber auch da es mir selbst gut tut. Ich pflege schon lange einen sehr offenen Umgang mit meinen Erkrankungen und auch mit meinem Stoma – auch, da ich seit vielen Jahren in der Selbsthilfe aktiv bin. Mein Stoma ist ein absolutes Wunschstoma, das ich liebe, weil es mir so viel Lebensqualität wiedergegeben hat. Aber darüber hier jetzt weiter zu schreiben, würde den Rahmen sprengen. Bei Fragen oder dem Bedarf nach Austausch, bin ich jedoch jederzeit ansprechbar. Euch brauch nichts bezüglich dessen unangenehm sein. Es gibt keine dummen Fragen!
Danke Inga!
Liebe Inga, vielen vielen Dank für das so offene und ehrliche Teilen deiner Geschichte hier auf meinem Blog!
Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!