Emmas Endometriose Geschichte

Emmas Endometriose Geschichte

„Mir kam die Idee, einen Schwangerschaftstest zu machen. Sofort positiv. An alle Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben oder eine Eileiterschwangerschaft durchstehen mussten: Ich denke an euch.“

Stell dich doch vorab einmal kurz vor!

Auf Instagram findet man mich unter @annedorevl, wobei nur mein #1in10 verrät, dass ich Endometriose habe. Weiter öffentlich darüber zu reden, finde ich schwierig, eben weil es so viele Vorurteile über das Thema gibt. Eigentlich heiße ich Margarethe Annedore, Spitzname Emma, ich bin 25 Jahre alt und komme aus den Niederlanden. Ich habe meinen Bachelor in Germanistik in Marburg gemacht, habe dort bei meinem Nebenjob meinen heutigen Freund kennengelernt und wohne seit 2020 mit ihm zusammen in Frickenhausen. Bald schließe ich meinen Master in Germanistische Linguistik in Tübingen ab. 

Nun zu deiner Endometriose Geschichte: Welche Symptome hattest du?

Ich habe immer extreme Schmerzen bei meiner Periode mit Ausstrahlung in die Beine gehabt, aber laut den Ärzten in Holland war das völlig normal. Zugegeben, da habe ich auch meine eigenen Gläser eingeworfen, weil ich eben nicht so ehrlich war, wie ich hätte sein sollen. Ich wollte tapfer sein und habe meine eigenen Schmerzen bagatellisiert. Mit ungefähr 18 habe ich dann eine Spirale bekommen, weil mein Hausarzt meinte, ich soll doch was gegen die Schmerzen tun (er hat sich mehr um mich gekümmert als ich selbst). Mit der Spirale habe ich mich sehr wohlgefühlt, nur nach drei Jahren hatte ich immer mal wieder Zysten und bekam immer öfter Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. 

Wann und wie wurde deine Endometriose dann diagnostiziert?

Wie erwähnt hatte ich unter der Spirale immer mal wieder Zysten und irgendwann war eine so groß, dass ich Hormone einnehmen musste, um nicht im OP-Saal zu landen. Das habe ich dann gemacht und die Schmerzen an der rechten Seite, wo die Zyste war, gingen langsam weg. Dafür kamen aber heftige Schmerzen an der linken Seite auf. Als ich meinen Frauenarzt in Marburg angerufen habe, um dies zu berichten, hieß es, ich wäre schon so oft da gewesen. Wenn ich jetzt wieder einen Ultraschall möchte, dürfte ich den selbst zahlen. 

In dem Moment habe ich mich so lästig gefühlt, obwohl ich jetzt weiß, dass es egal ist, wie oft man da auf dem Stuhl liegt. Wenn man Beschwerden hat, soll einem geholfen werden. Mein Frauenarzt in Marburg lag komplett falsch und außerdem war dieses Verhalten komplett gesetzwidrig und auch unmenschlich. 

Ich habe die Praxis nirgendwo gemeldet, aber eigentlich sollte ich das noch tun. Der Grund der Schmerzen war nämlich alles andere als harmlos. Einige Tagen später, an einem Freitagnachmittag, kam mir die Idee (nachdem ich mich morgens in der Dusche von lauter Schmerzen nicht mehr bewegen konnte), einen Schwangerschaftstest zu machen. Sofort positiv. An alle Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben oder eine Eileiterschwangerschaft durchstehen mussten: Ich denke an euch.

Danach ging alles ganz schnell, ich habe mich im Krankenhaus gemeldet und wurde innerhalb von einer halben Stunde operiert. Eine Eileiterschwangerschaft kann die Folge von Endometriose sein, aber es kann auch an der Spirale gelegen haben. Weil die Operation eine Notoperation war, wurde noch keine Endometriose festgestellt. Es gab so viel Blut in meinem Bauchraum, dass das Suchen nach Endometriose Herden vermutlich nicht mal möglich war. 

Die Zeit, die darauf folgte, war richtig schlimm für mich. Ich musste meine Bachelorarbeit irgendwie schreiben (ich hatte die Arbeit zwei Tage vor meinem Krankenhausaufenthalt angemeldet) und meinem Umfeld von der Eileiterschwangerschaft erzählen. Das Heilen geschah nur sehr langsam und weil ich keine Spirale mehr hatte, wurden die Schmerzen immer schlimmer. Ich war zahlreiche Male beim Frauenarzt, aber wurde ständig mit „es liegt an den Därmen“ vertröstet. Die Schmerzen wurden aber gefühlt jeden Tag schlimmer und waren inzwischen komplett zyklusunabhängig geworden. 

Mein Freund fand dann einen Job in Baden Württemberg und wir mussten umziehen. Ich habe außerdem einen Master in Tübingen gefunden und keine drei Monate nach meiner Operation sind wir dann tatsächlich umgezogen. Ein Vorteil war: Ich war dort auf der Suche nach einem neuen Frauenarzt. 

Ich war inzwischen so skeptisch gegenüber Frauenärzten geworden, dass ich lange recherchiert habe, bevor ich in einer Praxis anrief. Da habe ich aber meine Recherche richtig gemacht, weil ich bei der ersten Sprechstunde schon wusste: Jetzt werde ich endlich ernst genommen. Meine Frauenärztin in Nürtingen ist fantastisch und ich bin ihr ewig dankbar.

Als ich ihr von meiner Reise erzählte, fragte sie mich sofort, ob ich mal von Endometriose gehört hätte. Das musste ich mit „nein“ beantworten. Sie erklärte mir grob, was das ist, und schlug vor, dies als mögliche Diagnose auszutesten. Wir probierten über eine Zeitspanne von vier Monaten erst einige Pillenpräparaten aus, damit sie den Verdacht bestätigen konnte (Pillen mit Östrogen machten die Schmerzen schlimmer und zum Beispiel Desogestrel, eine Mini-Pille ohne Östrogen, machte die Schmerzen besser). Sie fand es aber immerhin sinnvoll, mich ins Endometriose Zentrum Böblingen/Sindelfingen zu schicken. Dort wurde ich erneut fantastisch betreut und die Ärzte fanden eine Bauchspiegelung absolut notwendig, auch wenn nichts auf dem Ultraschall zu sehen war. 

Angst vor der Operation hatte ich nicht. Ich hatte eher Angst, dass die Ärzte nichts finden würden. Beim Vorgespräch konnte ich genau sagen, wo was zu finden sein könnte, und ich habe recht behalten: Es wurde an zwei Stellen minimale Endometriose gefunden. Ich glaube, es war Gewebe von nicht einmal einem Zentimeter Größe. Trotzdem hatte ich jeden Tag Schmerzen und auch meine Psyche war stark davon betroffen. Wenn man nicht ernst genommen wird und jeden Tag Schmerzen hat, kann man Angstanfälle und das starke Bedürfnis, andere Aspekte im Leben stark zu kontrollieren, bekommen. Ich entwickelte eine Angst- und Zwangsstörung und bin dafür immer noch in therapeutische Behandlung. 

Auch wenn niemand Endometriose haben möchte, war die Diagnose für mich ein Segen. Das Ganze hat einen Namen bekommen und es lag nicht an mir oder an meinem Kopf. 

Wie oft wurdest du schon operiert und wie war das?

Für die Diagnose wurde ich einmal operiert am 22. November 2021 und wegen der Eileiterschwangerschaft einmal davor am 8. November 2019. Die Operationen waren ziemlich ähnlich, beides Bauchspiegelungen, beide im Krankenhaus. Ich habe jeweils zwei Nächten im Krankenhaus verbracht und durfte dann nach Hause. Nach beiden Operationen habe ich mindestens drei Monaten gebraucht, bis ich wieder Sport machen konnte und mich einigermaßen wieder wie ich selbst gefühlt habe.

Ich habe mich aber bei beiden Operationen gut aufgehoben gefühlt und ich bin für jeden einzelnen Arzt/Pflegehelfer/Mitarbeiter und jede einzelne Ärztin/Pflegehelferin/Mitarbeiterin in sowohl Marburg als auch Böblingen unglaublich dankbar. 

Wie ist deine Endometriose ausgeprägt? Wo sitzt oder saß sie? Und wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um?

Als ich nach der Diagnose nach Hause kam, musste ich tatsächlich erstmal googeln, wo die Endometriose jetzt war und wie groß das alles war. Bei mir hieß es einmal im Douglasraum rechts und einmal im Ligamentum Sacrouterinum links. Beiden Herde waren nicht größer als einen Zentimeter. Es heißt, alles konnte entfernt werden, aber die Schmerzen sind (leider) nach der Operation nur schlimmer geworden. So schlimm, dass ich mich jetzt vor einigen Wochen erneut bei meiner Frauenärztin vorgestellt habe und einen neuen Termin im Endometriose Zentrum machen werde. Auch habe ich eine neue Pille bekommen, unter der ich jetzt aber schon etwas weniger Schmerzen habe. Ich traue mich aber nicht, die Erfahrungsberichte zu lesen, das mache ich erst nach einigen Monaten. Mein Tipp: erst selbst spüren, dann lesen!

Ich musste aufgrund meiner Schmerzen einen elektrisch höhenverstellbaren Schreibtisch anschaffen, weil ich nicht länger als eine Stunde sitzen kann, und habe mir eine extra weiche Matratze bestellt, damit nichts drückt beim Liegen. 

Auch arbeite ich gerade daran, rechtzeitig (starke) Schmerzmittel zu nehmen und nicht erst zu warten, bis ich wieder weinend auf dem Sofa liege. Auch wenn es mir tatsächlich sehr schwerfällt, so oft Schmerzmittel zu nehmen und es nicht einfach „auszuhalten“.

Psychotherapie kann ich auch jedem empfehlen. Manchmal fühlt man sich mit seinen Schmerzen so alleine! Es tut so gut, mal eine Stunde nur über sich jammern zu können, ohne dass man Angst hat, verurteilt zu werden. 

Wie geht dein Umfeld mit deiner Endometriose um?

Das ist sehr unterschiedlich. Mein Partner hat es glaube ich ab und zu schon schwer damit, weil es sehr frustrierend ist, nichts machen zu können für diejenige, die man liebt. Ich bin aber so dankbar, dass ich ihn habe: Er hat mich von Anfang an unterstützt und mir vor allem geglaubt. Er war so wütend auf meine Ärzte in Marburg, die immer nur über Magen-Darm gesprochen haben. Ohne ihn hätte ich keine Diagnose bekommen, da bin ich mir sicher. Er hat dafür gesorgt, dass ich mich um mich gekümmert habe.

Meine Eltern sind aber auch sehr verständnisvoll, weil sie immer schon gewusst haben, dass die Perioden für mich ganz furchtbar waren. Sie sind vor allem froh, dass das Ganze jetzt einen Namen hat.

Auf der Arbeit ist es eine andere Sache: Ich bin Studentin und arbeite nebenbei. Vorher habe ich im Büro gearbeitet, bis zum Monat nach meiner Operation. Weil ich so viele Probleme beim Sitzen hatte, habe ich dann aber gekündigt. Ich konnte den Druck nicht mehr händeln. Jetzt fange ich mit einem neuen Nebenjob an, aber im Homeoffice, damit ich in Pyjamahosen sitzen, meinen höhenverstellbaren Schreibtisch nutzen und mit Wärmflasche arbeiten kann. Ich hoffe, dass das gut laufen wird. 

Auch meine Freundinnen reagieren unterschiedlich: Wenn man öfter absagen muss, weil man sich nicht wohlfühlt, nervt das doch einige. Nicht alle Freundschaften sind stark genug für die Endometriose, befürchte ich. 

Was würdest du jemandem mitgeben, der kurz vor seiner Operation steht oder frisch diagnostiziert wurde?

Also an alle, die bald operiert werden: Freue dich! Bitte freue dich. So oder so bekommst du eine Antwort. Für mich war das am Allerwichtigsten. Die Ärzte machen Bauchspiegelungen jeden Tag, mehrmals sogar. Hab keine Angst! Es wird nicht ohne gehen, du musst da durch. Und du schaffst das. Auch wenn nichts rauskommt, weißt du immerhin Bescheid und darfst nicht aufgeben! Du verdienst es, dass die Ärzte sich um dich kümmern. 

Für alle mit einer frischen Diagnose: Lies Bücher über das Thema, tausche dich aus und lass dich im Krankenhaus über weitere Schritte beraten. Denk dabei an eine Anschlussheilbehandlung (die habe ich aufgrund meines Studiums allerdings nicht gemacht), einen Antrag auf Grad der Behinderung und eventuelle Schmerzbehandlungen! Und: Lass es auch bitte einfach erstmal sacken. Gönn deinem Körper Ruhe und gewöhne dich an diese Diagnose. Du bist nicht allein, wir sitzen alle im gleichen Boot. Aber Achtung: Deine Symptome sind nicht meine Symptome. Endometriose ist sehr individuell und für jeden anders. Vergiss das nicht. Du schaffst das schon! Du bist schon so weit gekommen … jetzt nicht aufgeben!

Danke Emma!

Vielen lieben Dank Emma, dass du deine Endometriose Geschichte hier so offen mit uns geteilt hast. Damit gibst du dieser Krankheit ein weiteres Gesicht und trägst einen weiteren Teil zur Aufklärung darüber bei – vielen Dank dafür!

Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!

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