Stell dich doch vorab einmal kurz vor!
Hey, mein Name ist Lisa oder auch Lizzy, bin 26 Jahre jung und lebe im Unterallgäu. Auf Instagram findet ihr mich unter @lizzyunddieendo. Vor etwa einem Jahr bekam ich endlich meine Diagnose: Endometriose. Das Monster hatte nun einen Namen. Ich erzähle euch gerne, wie es dazu kam.
Nun zu deiner Endometriose Geschichte: Welche Symptome hattest du?
Meine Geschichte begann mit 13 Jahren. Ich bekam meine erste Periode kurz vor unserer Klassenfahrt. Ich wurde von meiner Mutter aufgeklärt, auch super gründlich, aber dass ich so viel bluten würde, damit habe ich nicht gerechnet. Meine Freundinnen versorgten mich während der Klassenfahrt mit Tampons und teilweise frischen Klamotten, weil ich meine mittlerweile komplett vollgeblutet hatte. Mir war das super unangenehm, weshalb ich auch immer jemand anderen nach Unterstützung fragte, damit das nicht so arg auffällt. Von den Schmerzen war es kaum auszuhalten, bei jedem Ausflug wollte ich einfach nicht mit, wurde aber nur mit „stell dich nicht so an“ abgestempelt. Okay, also quälte ich mich da durch, denn scheinbar war das so normal.
Als ich nach Hause kam, erzählte ich meiner Mutter natürlich nur die Hälfte. Sie sollte nicht auch noch denken, dass ich mich irgendwie anstelle. Ich erzählte ihr nur, wie sehr ich geblutet hatte, denn meine Klamotten sah sie ja eh in der Wäsche.
Meiner Mutter tat ich zwar leid, aber so wirklich einen Rat hatte sie nicht. Ich war noch nicht so weit, zu einer Frauenärztin zu gehen. Es hörte sich für mich immer so an, als sei alles, was ich durchmache, bei jeder Frau genauso – die starke Blutung, die Schmerzen, das Ohnmachtsgefühl, der erschwerte Stuhlgang und alles weitere.
Dann hatte ich mit 15 meinen ersten Freund, weshalb ich kurz darauf mit meiner Mutter den ersten Besuch bei einer Frauenärztin hatte. Ich erzählte ihr von meiner starken Periode, nicht von den Schmerzen, denn ich wusste ja schon, dass die „normal“ sind. Auch diese starke Blutung sollte von ihr als „normal“ betitelt werden, wie auch sonst? Da ich aber zudem starke Akne hatte, verschrieb sie mir die Anti-Baby-Pille. Die würde auch dafür sorgen, dass meine Blutung nicht so stark wäre. Ich wunderte mich in dem Alter sehr darüber, warum ich ein Verhütungsmittel zu mir nehmen sollte, denn eigentlich war ich doch noch gar nicht so weit, um über sowas wie Verhütung überhaupt nachdenken zu müssen. Meiner Mutter kam das scheinbar gerade recht, denn was, wenn zwischen mir und meinem Freund doch etwas passieren würde?
Ich nahm also von da an die Pille, unter der ich unheimlich schnell etwa 25 Kilo zunahm, aber das schob man gekonnt auf den Umzug (500 Kilometer von der Heimat). Ich hatte Stress und aß aus Stress, da ist es nur natürlich, dass ich so rasant zunehme. Dass dieser Stress aber auch eine Nebenwirkung der Pille sein konnte, war mir gar nicht bewusst und wurde nie thematisiert. Ich war unheimlich emotional und konnte so auch nur wenige meiner Freunde von zu Hause behalten. Mir war das alles damals zu viel und ich sackte relativ schnell in ein depressives Loch. Die Schmerzen während der Pillenpause blieben, doch das war ja normal.
Mit 21 Jahren fasste ich den Entschluss, die Pille abzusetzen. Ich befasste mich mit den Nebenwirkungen, die mit der Pille einhergehen KÖNNEN und fand immer mehr Parallelen. Ich war unzufrieden mit mir, meinem Körper und bin einfach nicht von diesem Übergewicht runtergekommen. Mit Absetzen der Pille ging es auf einmal. Ich konnte mich disziplinieren und nahm mehr oder weniger „einfach“ zehn Kilo ab. So einfach, wie es eben sein kann.
Meine Periode wurde wieder stärker, das kannte ich ja aber schon. Die Unterleibsschmerzen waren zeitweise so schlimm, dass ich auf der Toilette ohnmächtig wurde. Ich entwickelte ein „Gespür“ für meinen Eisprung. Ich konnte anhand der Schmerzen deuten, auf welcher Seite „das Ei springt“. Aber auch das redete man mir als Normalität ein.
Hinzu kamen meine immer wiederkehrenden Bauch- und Magenschmerzen. Mein Bauch bläht sich dann richtig auf und dieses Gas geht dann nur durch Aufstoßen wieder raus. Als Frau möchte man nicht immer vor anderen Rülpsen, ihr könnt euch also vorstellen, wie ich durch die Gegend gesprungen bin und mir ständig alles verkneifen musste, obwohl es unheimliche Schmerzen bereitete, wenn ich diese Luft nicht irgendwie aus mir raus lies (hört sich für euch vielleicht „eklig“ an, aber ist für mich Normalität).
Ich war dann beim Gastroenterologen. Da meine Gyn ja schon nicht auf mich und meine Beschwerden eingegangen ist, wollte ich zumindest meinen Magen-Darm-Trakt kontrollieren lassen. Nach einem kurzen Ultraschall, in dem er, wie mein Hausarzt davor, nichts gefunden hat, haute er ohne weitere diagnostische Methode „Reizdarmsyndrom“ raus. „Vermeiden Sie Stress.“ So wurde ich gehen gelassen.
Zu dem Zeitpunkt studierte ich, konnte meinen Stundenplan frei wählen und hatte mehr Freiheiten als je zuvor. Wie und wo soll man da denn Stress vermeiden? Diese Aussage stresste mich wohl von allem am meisten. Was ein Reizdarmsyndrom ist, wie es ausgelöst wird, was ich dagegen tun kann und wie es verschwindet, durfte ich mir dann selbst aneignen. Eine allgemeingültige Aussage kann man hier nicht treffen. Ausprobieren und dokumentieren war meine Taktik. Auch heute habe ich oft Probleme mit meinem aufgeblähten Bauch, vor allem in psychisch schlechter Verfassung tritt er auf – mein Reizdarmsyndrom oder heute auch klar als Endobelly betitelt.
Wie kam es dann zu deiner Diagnose?
Im August 2020 bekam ich eine Kupferspirale, da für mich und meinen Freund klar war, dass ich keine Hormone nehmen sollte und wir eine andere sichere Verhütungsmethode brauchen. Die Untersuchung bei meiner neuen Frauenärztin in Augsburg lief reibungslos, der zweite vaginale Ultraschall meines Lebens. Laut ihr beste Voraussetzungen zum Einsetzen der Spirale, dass ich dabei Schmerzen haben werde, sei normal, und alles, was ich machen soll, ist, mich zu entspannen. Schmerzen da unten kenne ich ja bereits, also alles gut, dachte ich mir. Einsetzen ist die Hölle, das kann ich euch jetzt sagen, aber gut. Sie war drin und dann auch soweit in Ordnung.
Man sagt ja, dass sich die Periodenschmerzen durch die Kupferspirale verschlimmern können, doch mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Ich hatte irgendwann jeden Tag Schmerzen, doch erst bei der nächsten Kontrolle der Spirale besprach ich das mit meiner Frauenärztin. Im Ultraschall sah man eine kleine Zyste, diese könnte die Schmerzen auslösen. Sie wollte sie zunächst beobachten, vielleicht geht sie von alleine weg. Etwa eine Woche später meldete ich mich noch mal bei ihr und sie gab mir einen Termin im Augsburger Josefinum, dort operiert sie selbst auch und sie würde mir während einer Laparoskopie die Zyste entfernen. Bis zur Operation im März 2021 kam nie der Verdacht auf Endometriose auf. Denn meine Beschwerden waren ja normal.
Statt einer angedachten ¾ Stunde lag ich etwa drei Stunden im OP. Diagnose: eingeblutete Schokoladenzyste – Endometriose am linken Ovar. „Halb so wild, ich habe schon schlimmere Endometriose-Patient*innen gesehen.“ Die Kupferspirale hat sie liegen lassen, zur Verhütung brauche ich keine Unterstützung, aber ich solle darüber nachdenken, die Pille als hormonelle Therapie gegen die Endometriose zu versuchen. Das war mir zu blöd, wieder die Pille, damit ich wieder so durch bin? Nein danke, dachte ich mir und lehnte ab. Ich würde zunächst allein damit klarkommen, dachte ich. Ich hatte nie darüber nachgedacht, Endometriose zu haben, auch wenn ich in etwa wusste, was Endometriose ist und was da im Körper passiert.
Vor Freude geweint habe ich, endlich eine Diagnose. Endlich hatten alle meine Beschwerden der letzten Jahre einen Namen. Einen ziemlich bescheidenen, aber immerhin einen Namen.
Was die Diagnose für mich bedeuten sollte, merkte ich erst später. Die ersten Wochen nach der Operation war ich sehr schwach. Ich beendete mein Studium und fing einen neuen Job an. 36 Stunden die Woche funktionieren. Mein Bauch zickte immer wieder, ständig dieser Endobelly, Krämpfe und Unwohlsein. Immer erschöpft nach Hause kommen, kaum konzentrieren können, keine Kraft mehr für den Haushalt.
Zur Kontrolle bei meiner Frauenärztin fiel ihr wieder eine Zyste am linken Eierstock auf. Sie wollte aber nicht noch mal operieren, ihr ist das Thema Endometriose zu hoch, sie kennt sich selbst kaum aus, kann das nicht richtig einordnen und verweist mich lieber zu jemand anderem. Das einzige, was sie mir noch anbieten kann, sei die Hormontherapie. Ich lies mich darauf ein, denn die Schmerzen waren wieder die Hölle und wenn das tatsächlich helfen sollte, wollte ich es probieren. Sie verschrieb mir eine Pille, die ich selbst zahlen sollte. Dass man bei Endometriose ein Hormonpräparat verschrieben bekommen kann, welches die Krankenkasse übernimmt, hatte sie mir nicht gesagt.
Zeitgleich machte ich mit meiner Mutter einen Termin im Diako Mannheim aus, sie arbeitet dort und die Ärzte sollten sich gut mit Endometriose auskennen. Im August 2021 hatte ich dann dort den Termin. Montag um 9 Uhr war ich dort. Es wurde eine ausführliche Anamnese gemacht, zum ersten Mal hörte man mir wirklich aufmerksam zu und lies mich meine Geschichte erzählen. Nach dem Ultraschall waren die Worte des Arztes: „Mit ihren Beschwerden und dieser großen Zyste sollten wir sofort operieren.“ Ich lies mich darauf ein, verbrachte den restlichen Tag noch im Krankenhaus, um die Operation für den nächsten Tag vorzubereiten. Etwa um 17 Uhr verließ ich das Krankenhaus und ging gemeinsam mit meinem Vater und seiner Frau für die nächsten Tage auf Station einkaufen. Nachthemden, Socken, Hausschuhe, Unterwäsche. Fünf Tage sollte ich auf Station bleiben.
Nach der zweiten Operation ging es mir wesentlich besser als nach der ersten. Diese hat wieder etwa drei Stunden gedauert, sie haben genauer geschaut, aber auch schon Verwachsungen der ersten Operation gesehen, die mir zusätzlich Beschwerden bereiten. Da sie mich vorher nicht über diesen Fall aufgeklärt haben, haben sie die Verwachsungen nicht gelöst, denn das Risiko, dabei meinen Darm zu verletzen, wäre zu hoch gewesen. Entsprechend konnten sie aber auch nicht ins hintere Becken schauen und vermuteten dort aber weitere Herde. Die Kupferspirale wurde mir gezogen, die Pille sollte also als einzige Verhütungsmethode verwendet werden.
Der Arzt riet mir dazu, ein entsprechendes Hormonpräparat für Endometriose zu nehmen, weshalb ich nach der Operation mit Dienogest Aristo begann. Im Internet findet man es nur als Hormonpräparat bei Endometriose, nicht als Verhütungsmittel. Dass es nur so betitelt wird, um von der Krankenkasse genehmigt zu werden, wusste ich nicht. Ich war dementsprechend irritiert, aber wer klärt denn darüber schon auf? Scheinbar kein Arzt.
Die ersten Wochen ging es mir super, so gut, dass ich voller Tatendrang unser Schlafzimmer neu strich. Naja … bis zum Urlaub im Oktober ging es mir gut. Die Tage unterwegs waren wunderschön, aber auch super anstrengend. Ich hatte wieder ständige Unterleibschmerzen, war aufgebläht nach zu viel Bewegung und einfach super erschöpft von mir und meinem Körper. An Sex war in der Zeit übrigens auch kaum zu denken. Die Verwachsungen nach den Operationen verursachten Schmerzen während dem Sex. Zum Glück hat mein Freund unheimlich viel Verständnis dafür.
Im November hatte ich eine Kontrolle bei meiner Frauenärztin und klagte ihr mein Leid. „Und was soll ich jetzt für Sie tun?“ Eindeutig war sie genervt von meiner ständigen Nachfrage nach Tipps und Unterstützung. Dass sie mir klar sagt, dass sie mir nicht großartig helfen kann, weil sie sich zu wenig auskennt, rechne ich ihr hoch an, aber ein wenig könnte sie sich ja mit der Materie beschäftigen, wenn ich schon ihre Patientin bin. Oder ist das zu viel verlangt? Der vaginale Ultraschall zeigte wieder eine Zyste, aber für mich war klar, ich möchte keine weiteren Operation. Zwei haben gereicht, ich habe zusätzliche Beschwerden durch die Verwachsungen der ersten beiden Operationen und möchte mich dem Stress nicht weiter aussetzen.
Wie gehst du jetzt mit deiner Endometriose um? Was machst du, um deinen Körper zu unterstützen?
Ich rief einen guten Freund an, er ist Osteopath und nahm mich als Patientin auf. Durch meine Arbeit habe ich den Luxus einer zusätzlichen Krankenversicherung, durch diese werden viele Kosten der Osteopathie übernommen. So eine Zusatzversicherung kann ich jedem nur empfehlen, das entlastet mich ungemein und ich habe Zugriff auf alternative Behandlungsmethoden.
Meine Hausärztin verschrieb mir zusätzlich Physiotherapie, wofür ich auch unheimlich dankbar bin.
Einen Psychologen/Psychotherapeuten habe ich mir auch gesucht, bin mit ihm aber nicht zufrieden. Ich werde nicht ernst genommen, soll Antidepressiva nehmen und das war es dann. 25 Minuten bei ihm und ich habe keine Lust mehr und will gehen. Ja so kann es auch laufen. Aber das muss jede*r für sich selbst entscheiden und einschätzen, was einem guttut und was nicht.
Spaziergänge sind mein heiliger Gral. Ich liebe die Natur, frische Luft und die Ruhe. Wenn es meine Kraft zulässt, gehe ich eine Stunde am Tag raus. In meinem Tempo und nur für mich. Bei einer 36-Stunden-Woche und einer Fahrt von einer Stunde am Tag ist das nicht immer leicht, aber zumindest weiß ich, was mir guttut, und kann es für mich nutzen.
Was möchtest du anderen Betroffenen noch mit auf den Weg geben?
Mir wurde weder nach der ersten noch nach der zweiten Operation eine Reha angeboten. Sprich es im Krankenhaus selbst an. Nach jeder Operation steht dir eine Reha zu! Darüber wurde ich nie aufgeklärt und muss nun selbst mein Glück versuchen.
Endometriose ist eine lebenseinschränkende Krankheit und soll auch als solche wahrgenommen werden. Werde laut, wenn man dir nicht zuhört. Auch du hast ein Recht darauf, gehört zu werden.
Ich habe auf eigene Faust einen Antrag auf Grad der Behinderung gestellt, durch meinen Job kenne ich mich recht gut damit aus. Zum Glück. Wenn du dich nicht damit auskennst, suche dir Hilfe. Den Antrag gibt es im Internet, stelle ihn lieber selbst, als es gar nicht erst zu versuchen. Eine persönliche Stellungnahme kann dir dabei helfen, deinen Leidensweg zu verdeutlichen. Wenn du dabei Hilfe brauchst, kannst du dich auch gerne bei mir melden!
Jetzt habe ich dir viel von mir erzählt. Weitere Einblicke in mein Leben mit Endometriose gebe ich dir gern auf Instagram. Ich freue mich dort immer über den Austausch mit anderen Betroffenen, aber auch wenn du nicht betroffen bist, bist du natürlich herzlich willkommen.
Deine Lizzy von @lizzyunddieendo
Danke Lizzy!
Vielen vielen Dank, liebe Lizzy, für das Erzählen deiner Endometriose Geschichte. Damit hast du der Krankheit ein weiteres Gesicht gegeben und trägst hier und auch auf Instagram einen wichtigen Teil zur Aufklärung darüber bei – danke dafür!
Wenn ihr eure Endometriose Geschichte auch gerne erzählen möchtet, dann lasst es mich einfach wissen. Egal, ob über das Kontaktformular oder Instagram!